27. Dezember 2022

Waldgebiet des Jahres 2022

Erdmannwald begeisterte die Menschen

Das scheidende Waldgebiet des Jahres, die Erdmannwälder im Landkreis Diepholz, ist weit über die Region hinaus auf ein enormes Interesse gestoßen. „Wir haben eine bundesweite Medienresonanz zu diesen naturnahen und klimastabilen Mischwäldern verzeichnet“, so Rainer Städing, Pressereferent des Bundes Deutscher Forstleute (BDF), der seit 2001 die Waldgebiete des Jahres ausruft. „Bei Waldführungen mit Bürgern war deutlich zu spüren, wie groß das Interesse der Menschen an einer Waldform ist, die Chancen hat, im Klimawandel zu bestehen.“ So ließen sich über 1.600 Menschen bei 44 Führungen von den Försterinnen und Förstern des Forstamtes Nienburg der Niedersächsischen Landesforsten und den Gästeführerinnen und Gästeführern der Stadt Bassum die Erdmannwälder zeigen und erläutern. Forstamtsleiter Hendrik Plate freut sich über die große Nachfrage, welche neben den laufenden Arbeiten nur im Team gemeistert werden konnte: „Waldbesitzer, Forstgenossenschaften, ganze Forstamtsbelegschaften sowie Kommunal- und Bundestagspolitiker wollten die Vielfalt der Erdmannwälder sehen.“

Steigende touristische Nachfrage

Auch die Region Sulingen-Bassum hat gewonnen. Touristikerin Susanne Vogelberg von der Stadt Bassum verzeichnet einen gestiegenen Besucherzulauf in der Region. „Neben der Fülle der zusätzlichen Führungen, hat der Versand von Wander- und Radkarten im Erdmannjahr erneut deutlich zugenommen.“ Für das neue Jahr planen die Gästeführerinnen der Stadt Bassum und der Fahrradclub ADFC weitere Erdmannführungen. „Wir wollen über eine Verstetigung der Führungen dem großen Publikumsinteresse Rechnung tragen“, so Susanne Vogelberg von der Stadtverwaltung.

Forstmedaille für Erhalt der Erdmann’schen Oberförsterei

Krönender Abschluss des Erdmannjahres war Anfang Dezember die Verleihung der Niedersächsischen Forstmedaille durch Forstministerin Miriam Staudte an den Heimatverein Neubruchhausen, stellvertretend für alle Bürger des Ortes, die sich seit über 30 Jahren für den Erhalt der historischen Oberförsterei und das Erbe von Oberförster Friedrich Erdmann einsetzen, der vor genau 130 Jahren von dort aus den Waldbau revolutionierte.

Wälder weiterhin stabil und widerstandsfähig

Die Erdmannwälder haben auch das Jahr 2022 ohne nennenswerte Schäden überstanden, damit haben sie jetzt über fünf schwierige Jahre mit Stürmen, Käferbefall und Sommerdürre ihre Widerstandskraft bewiesen.

Neue Dokumente zu Friedrich Erdmann entdeckt

Während vom Wirken Friedrich Erdmanns ausführliche Dokumente und vor allem die von ihm initiierte besondere Waldform Zeugnis ablegen, war bislang über die Person Erdmanns relativ wenig bekannt. Dies könnte sich künftig ändern. Der Heimatverein besitzt neue Dokumente zur Person Friedrich Erdmanns, die seine Mitglieder kürzlich im Niedersächsischen Staatsarchiv gefunden haben und jetzt auswerten. Immerhin 146 Seiten mit Dokumenten, überwiegend in Sütterlin-Handschrift verfasst, werden nun von der Chronik-Gruppe des Heimatvereins analysiert. „Es wäre schön, wenn an geeigneter Stelle alle verfügbaren Dokumente zu einem öffentlich zugänglichen Erdmann-Archiv zusammengeführt werden könnten“, äußert sich Heimatvereinsvorsitzender Heinz-Hermann Schrader zu dem neuen Fund, dem weitere folgen könnten.

Staffelstab geht weiter nach Chorin bei Eberswalde

Im kommenden Jahr werden die „Erdmann-Förster“ den Staffelstab weitergeben an die Forstkollegen und -kolleginnen im Choriner Wald bei Berlin, der vom BDF als Waldgebiet des Jahres 2023 nominiert wurde. Auch im Choriner Wald war der Übergang vom reinen Kiefernwald zum naturnahen Mischwald ein Hauptgrund für die Nominierung, neben der Bedeutung des Gebietes für die Ausbildung der Forststudenten und der vielen Untersuchungen der Waldforschungsinstitute aus dem nahen Eberswalde.

 

Zusatzinformation:

Erdmann-Programm im Jahr 2023

26.03.23 – Wanderung mit dem ADFC durch die Erdmannwälder

07.05.23 – Auf Erdmanns Spuren mit Förster i.R. Rainer Städing

14.05.23 – „Tag des Wanderns“ entlang des Froschweges und auch durch die Erdmannwälder

14.05.23 – Radtour mit dem ADFC entlang dem Erdmann-Radweg

10.06.23 – „Mühlentour“ – Radtour mit Gerda Lüdeke. Ein Teil der Radtour verläuft voraussichtlich durch die Erdmannwälder.

10.09.23 – „Tag des offenen Denkmals“ -  Öffnung der Alten Oberförsterei

17.09.23 – Auf Erdmanns Spuren mit Förster i.R. Rainer Städing anlässlich der Deutschen Waldtage

Für Radfahrer steht der Erdmann-Radweg mit drei Startpunkten in Sulingen, Neubruchhausen und in Schwaförden-Hahnhorst zur Verfügung. Alle Infos und Radwegkarte unter www.erdmannwald.de

Weitere Führungen für geschlossene Gruppen können angefragt werden bei

Susanne Vogelberg, Stadt Bassum; Tel.: 04241 84-69; Mail: vogelberg(at)stadt.bassum.de

Niedersächsische Landesforsten, Forstamt Nienburg; Tel.: 05021 – 9647 – 0
Mail: Poststelle(at)nfa-nienburg.niedersachsen.de

 

2. Hintergrundinformation

Was sind „Erdmannwälder“?

Zwölf Waldgebiete mit rund 2.000 Hektar (20 km²) umfasste die damalige Oberförsterei Neubruchhausen, zwischen den Kleinstädten Bassum und Sulingen gelegen. Dort fand der junge Oberförster Friedrich Erdmann bei Dienstbeginn im Jahr 1892, also vor 130 Jahren, viele kränkelnde Kiefernwälder vor. Sogleich begann Erdmann einen für die damalige Zeit in Art und Umfang überaus vorausschauenden und einmaligen Waldumbau. Er sorgte für eine verbesserte Humusbildung der Waldböden und ließ kleinflächig Buchen, Eichen, und Weißtannen säen. Douglasien, Küstentannen, Lärchen, Roteichen und vereinzelte Exoten wie Esskastanie und sogar Orientbuche kamen hinzu.

Buchen als Grundgerüst

Die Basis seines Ansatzes war die Buche, „… ein Wald, in dem die Buche den Grundbestand bildet, ist die beste und wertvollste Grundlage des Mischwaldes“ (Erdmann 1912). Über 26 Jahre entwickelte Erdmann sein Konzept des „Waldbaues auf natürlicher Grundlage“, welches von seinen Nachfolgern mit Änderungen bis heute weitgehend fortgeführt wird. 

Umfassendes Waldverständnis

Geradezu visionär formulierte Friedrich Erdmann 1931: „Niedersachsen war ein uraltes Laubholzgebiet – es wird auch künftig wieder vorwiegend Laubwald tragen, dessen Grundcharakter durch eine angemessene Beimischung nutzbringender Nadelhölzer nicht beeinträchtigt zu werden braucht….die Eintönigkeit des Reinbestandes wird hier überall der Mannigfaltigkeit eines reich zusammengesetzten Mischwaldes weichen, in dem auch die Holzarten, die von alters her bei uns heimisch waren, heute aber nur noch selten im Walde angetroffen werden – der Ahorn, die Esche, die Ulme, die Linde, die Hainbuche, die Erlen und Weiden, die Pappeln, die Wildobstbäume, vor allem aber die bodenpflegenden Sträucher – ihre Stelle finden werden.“

Seine Leitbilder und Ideen soll Oberförster Erdmann (1859-1943) maßgeblich an alten Laub- und Laubmischwald-Resten in der Region abgeleitet haben.

Die Erdmannwälder der damaligen Oberförsterei Erdmannshausen gehören heute zum Forstamt Nienburg und sind Teil der Niedersächsischen Landesforsten, deren ökologisches Waldumbauprogramm (LÖWE-Programm von 1991) deutlich von den Grundsätzen der Erdmann‘schen Waldwirtschaft geprägt ist.

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