03. Mai 2022
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Erdmannwälder als Waldgebiet des Jahres ausgezeichnet

Forstamtsbelegschaft beeindruckt mit eigenem Programm

150 Personen waren der Einladung des Bundes Deutscher Forstleute (BDF) gefolgt und wohnten der Verleihung des Titels „Waldgebiet des Jahres“ an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des zuständigen Niedersächsischen Forstamtes Nienburg in Bassum-Neubruchhausen am vergangenen Freitag, den 29. April bei. Genau vor 130 Jahren nahm dort Oberförster Friedrich Erdmann seinen Dienst auf und legte den Grundstein für eine besondere Form von Mischwäldern.

„Dass diese Wälder die Waldschäden der letzten vier Jahre fast unbeschadet überstanden haben, war für uns als Forstgewerkschaft ein Hauptgrund diese zukunftsweisende Waldform und die heutigen Forstleute, die diese Mischwälder erhalten, auszuzeichnen“, so Ulrich Dohle, Bundesvorsitzender des BDF, der von der Politik forderte jetzt die Weichen zu stellen für eine systemrelevante Jahrhundertaufgabe - den Waldumbau. Dafür brauche es kluge Ideen, innovative Programme und neben Geld vor allem genügend Forstleute für die Umsetzung. Auch BDF-Landesvorsitzender Dirk Schäfer forderte Ergebnisse von der Landespolitik für den Waldumbau in Niedersachsen und begrüßte eine vom Forstministerium angekündigte Evaluierung zu dem er die Beteiligung der Forstbeschäftigen einforderte.

In seinem Grußwort betonte Staatssekretär Prof. Dr. Ludwig Theuvsen die Bedeutung des Waldes. Das Motto des Berufsverbandes BDF „Wald ist Zukunft“ habe kein Verfallsdatum und die „strukturierten Mischwälder nach Oberförster Erdmann sind das Erfolgsrezept für die Zukunft im Klimawandel.“ Mit weiteren Grußworten schalteten sich Landrat Cord Bockhop und der Förster im Bundestag, Christian Hoffmann per Video zu.

Anschließend präsentierten die Belegschaft des Forstamtes Nienburg, welches die Erdmannwälder betreut, ein buntes Programm. Nach einem Videoclip zu Erdmanns Kinderstube, den die Waldpädagoginnen Vera Henze und Angelika Gremm zusammen mit den Waldzwergen des Waldkindergartens in Syke produziert hatten, skizzierte Revierförster Uwe Niedergesäss, Bruchhausen-Vilsen in einem launigen Beitrag den Werdegang und das Wirken von Friedrich Erdmann, der vor 130 Jahren in Neubruchhausen den Waldbau revolutionierte, den Bedarf an engagierten Fachkräften und die Gewinnung von Saatgut für die Gestaltung neuer Wälder thematisierten.

In einer Gesprächsrunde zum Erdmannwald betonte Dr. Martin Hauskeller von den Niedersächsischen Landesforsten die schwierige Lage in den Schadensgebieten wie dem Harz, die ohne den vor 30 Jahren begonnenen Waldumbau noch problematischer wäre. „Die Erdmannwälder sind hervorragende Beispiele, wo es künftig hingehen soll.“ Forstreferendarin Carolin Kemper hat die Waldschäden im Forstamt Nienburg ausgewertet und festgestellt, dass in den Erdmannwäldern vergleichsweise sehr wenig Schadholz angefallen ist. „Diese Wälder können dem Klimawandel die Stirn bieten.“ Für den ehemaligen Schwafördener Revierförster Peter Braunert ist die Baumartenvielfalt in den Erdmannrevieren niedersachsenweit einmalig. Mit einem Zitat von 1850, „Fragt die Bäume wie sie erzogen sein wollen, sie werden Euch besser darüber belehren als es die Bücher thun.“ weist er auf Notwendigkeit des ständigen Beobachtens der Entwicklungen im Wald hin. Amtsleiter Henning Schmidtke sieht sich in der Erdmann-Tradition mit der großflächigen Saat von Weisstannen aus heimischer Ernte und dem Erdmannprojekt 2030, mit dem weitere Wälder im Forstamt umgestaltet werden sollen, auf einem guten Weg. „Das alles geht nur gemeinsam“, betont Schmidtke den dafür notwenigen Teamgeist. Er weist ausdrücklich auf die Möglichkeit hin für die Entstehung neuer Wälder im Sinne Erdmanns als Sponsor aufzutreten oder zu spenden.

In einer Interviewrunde stellten die beiden Forstwirt-Auszubildenden Felix Gessner und Inka Peglow ihre Begeisterung für die Waldarbeit dar, die von der Holzernte über Naturschutzarbeiten bis hin zum Bedienen von großen Holzerntemaschinen reicht.

Durch ein vorbereitetes Publikumsinterview wurden verschiedene Zugänge zum Wald sichtbar. Die Naturschutzförsterin des Forstamtes, Kerstin Geier, sieht den Erdmannwald als Pretiose und möchte dort noch mehr Wasser im Wald halten. Jan Kanzelmeier von der Naturschutzbehörde ist ein Fan des „Pastorenteiches“, der heute, wie vor hundert Jahren, seine eigene Ruhe und Atmosphäre ausstrahlt. Für ihn sind Erdmannwälder eine „unendliche Ressource“, die gleichzeitig „Naturschutz hoch zwei“ ermöglichen. Gerda Lüdeke und Hans-Hermann Schrader sind Neubruchhauser Urgesteine, die schon auf Schulausflügen das Erdmanngrab kennengelernt haben. Gerda Lüdeke kam nach ihrer Ausbildung zur Gästeführerin zu dem Schluss, dass die Themen Erdmann und Neubruchhausen „ihr Ding“ für ihre Führungen sind. Hans-Hermann Schrader vom Heimatverein spricht sich für den Erhalt der Erdmannwälder aus und überrascht mit einem lebensgroßen Erdmannfigur aus Pappe, die künftig in der Alten Oberförsterei aufgestellt sein wird. Mit Bernd Schmitting und Alexander Roclawski werden zwei Unternehmer befragt. Während Forstunternehmer Schmitting bei der Nutzung der vielen verschiedenen Baumarten so einiges abverlangt wird, verbindet sich für Roclawski die extensive Gallowayhaltung auf den Weiden in den Erdmannwäldern gut mit der naturnahen Waldbewirtschaftung.

Mit einem Video der Niedersächsischen Landesforsten, von Förster Alexander Ahrenhold über die Vielfalt der Erdmannwälder endete das Programm und die Auszeichnung „Waldgebiet des Jahres“ wurde an die fast vollständig erschienene Belegschaft des Forstamtes Nienburg übergeben. „Die Früchte Ihrer guten Arbeit sind in den Erdmannwäldern erkennbar“, mit diesen Worten überreicht BDF-Bundesvorsitzender Ulrich Dohle die Auszeichnung für alle Mitarbeiter. Eine Abordnung aus dem mecklenburgischen Forstamt Stavenhagen, in dem das vorjährige Waldgebiet des Jahres, die „Ivenacker Eichen“ liegt, übergab den hölzernen Wanderpokal an die Nienburger, zusammen mit Sämlingen der weltberühmten Ivenacker Eichen.

Mit Schlussworten von Ulrich Dohle und dem Präsidenten der Niedersächsischen Landesforsten, Dr. Klaus Merker endete die Veranstaltung im Saal. Merker dankte dem Team des Forstamtes Nienburg in seinen Schlussworten und hielt fest: „Gerade in diesen Zeiten ist Innovationskraft gefragt und auch die Gabe, zu erkennen, welche Innovationen tragen und zukunftsfähig sind. Erdmanns Visionen waren zukunftsfähig und sind für uns Leitbild für den Wald von morgen: Lebens- und Erholungsraum, Klimaschützer und Holzlieferant.“

Im Anschluss daran, begaben sich die meisten Teilnehmer und Teilnehmerinnen  unter fachkundiger Leitung in vier Gruppen auf eine sternförmige Exkursion durch die Erdmannwälder im „Freidorfer Holz“, die am Grab von Friedrich Erdmann unter jetzt 300jährigen Buchen endete.

 

Hintergrund

Erdmann-Wälder - Was vor 130 Jahren begann, zeigt uns heute einen Weg in die Zukunft mit klimastabilen Wäldern.

1892 übernimmt Friedrich Erdmann die damalige Oberförsterei Neubruchhausen. Große Flächen kränkelnder Kiefern aus Erstaufforstung von Heide findet er vor. Die „Wurzelfäule“, wie man damals meint, ist ein ähnlicher Einschnitt wie heute die weitläufigen Schäden insbesondere an der Fichte in Teilen Mitteleuropas. Oberförster Erdmann geht einen eigenen, unkonventionellen Weg zur Lösung der Probleme in den ihm anvertrauten Wäldern.

Erdmann lässt seine Revierförster und Waldarbeiter die kranken Kiefern aus den Wäldern herausschlagen und fördert die Umwandlung der unzersetzten Nadelstreu (Rohhumus) in wertvollen Waldhumus.

Mit seiner Gabe, die Natur zu beobachten und zu erforschen, entwickelt er die Idee eines „Waldbaues auf natürlicher Grundlage“. Buchen, Weißtannen, Douglasien, Fichten, und Lärchen sowie weitere Baumarten lässt er in Mischung säen und pflanzen.

Der Buche gilt dabei sein besonderes Interesse: „… ein Wald in dem die Buche den Grundbestand bildet, ist die beste und wertvollste Grundlage des Mischwaldes …“

Die heutigen Erdmann-Wälder liegen in 12 Waldgebieten zwischen den Kleinstädten Sulingen und Bassum, rund 40 Kilometer südlich von Bremen und gehören zum Forstamt Nienburg als Teil der Niedersächsischen Landesforsten.

In ihrer Mischung aus bis zu zwanzig Baumarten mit unterschiedlichen Altern, Durchmessern und Höhenabstufungen haben die Erdmann-Wälder die Stürme, Trockenheit und Dürre sowie die Borkenkäferattacken seit 2017 weitgehend unbeschadet überstanden. Die natürliche Waldverjüngung mit Tannen, Buchen und vielen anderen Baumarten ist überwiegend kein Problem mehr. Lücken im Waldgefüge die zum Beispiel durch Nutzung entstehen, werden rasch von den Nachbarbäumen und vom Nachwuchs geschlossen.

Mitten im Hauptrevier liegt das Waldpädagogikzentrum Hahnhorst - jüngst erweitert zum Betriebsgelände für Ausbildung, als Stützpunkt für die Forstwirte und Förster. Von hier wird die forstliche Umweltbildung in den umgebenden Landkreisen Diepholz, Nienburg und auch Rotenburg organisiert.

Im Mai 2021 wurde der 80 Kilometer lange Erdmann-Radweg in Zusammenarbeit mit vielen Akteuren aus Verwaltungen und Zivilgesellschaft eröffnet. Die Erdmannsche Waldwirtschaft, Projekte mit Partnern und die landschaftlichen Eigenheiten der Wälder werden so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Naturschutzprojekte kommen den Wäldern zugute, vor allem extensive Beweidung der forsteigenen Weiden, Wasserrückhaltungsprojekte und die Ausweisung von Habitatbäumen.

Die Erdmann-Wälder sind 130 Jahre nach ihrer Entwicklung auf der Höhe der Zeit und können Antworten für die Wälder der Zukunft geben. Die Auszeichnung als Waldgebiet des Jahres 2022 bietet die Gelegenheit sich intensiver mit diesen Wäldern auseinanderzusetzen.

Interessierte Sponsoren für das Erdmann2030-Projekt finden weiterführende Informationen unter www.landesforsten.de/erdmann/.

Informationen zum Waldgebiet des Jahres unter www.waldgebiet-des-jahres.de und www.erdmannwald.de