04. Januar 2022
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Neue Waldpolitik

Forstgewerkschaft: Herausforderungen nur mit mehr Forstpersonal umsetzbar

Der Bund Deutscher Forstleute begrüßt die meisten Ziele für eine neue Waldpolitik, die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung skizziert werden. „Bei der Bundesregierung ist, wie auch bei den meisten Länderregierungen, angekommen, dass der Wald für die Klimaschutzziele unerlässlich ist und gleichzeitig durch die rasante Klimaverschiebung bedroht ist“, teilt Bundesvorsitzender Ulrich Dohle zum Jahresauftakt mit. „Der notwendige Waldumbau hin zu klimaresilienten Mischwäldern erfordert neue Konzepte, an deren Erarbeitung wir uns gerne zusammen mit anderen gesellschaftlichen Akteuren beteiligen wollen.“ Sorge bereitet der Forstgewerkschaft, dass in der Diskussion viele Ansprüche an den Wald formuliert werden und allenfalls über finanzielle Hilfen, jedoch nicht über das für eine differenzierte Waldbetreuung notwendige Fachpersonal gesprochen wird. „Der Blick auf den Wald als Ökosystem und die kleinteilige Pflege von Mischwäldern erfordert mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit und mehr Fachpersonal“, sieht Förster Ulrich Dohle skeptisch in die Zukunft, denn bereits der aktuelle Generationswechsel beim jahrzehntelang ausgedünnten Forstpersonal gestaltet sich zunehmend schwierig, da es an Absolventen in den forstwirtschaftlichen Berufen und forstwissenschaftlichen Studiengängen fehlt.

Der Wald als „eierlegende Wollmilchsau“ aber ohne Personal?

„Wenn wir heute die vielen gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald betrachten, so könnte man meinen, er sei eine „eierlegende Wollmilchsau,“ ergänzt BDF-Pressereferent Rainer Städing. „Das ist er mitnichten, aber mit ausreichend Fachpersonal wären die vielfältigen Ansprüche an den Wald mit guten Resultaten zusammenzuführen und umzusetzen.“ Während die Forstleute seit vier Jahren in vielen Regionen vollauf damit beschäftigt sind, die Wälder nach den Sturm-, Trocken-, und Borkenkäferschäden neu aufzubauen und neue Gefahren abzuwehren, soll gleichzeitig der Umbau der verbleibenden Nadelwälder zu Mischwald forciert werden, um sie klimaresilienter zu gestalten. Das ist für den BDF eine wahre Herkulesaufgabe. Insgesamt müssen prioritär 3 Millionen Hektar Wald umgebaut und in einen besseren ökologischen Zustand gebracht werden. Das sind 25 Prozent der Gesamtwaldfläche. Das bundeseigene Thünen-Institut für Waldökosysteme hatte bereits im Frühjahr 2021 errechnet, dass die Waldumbaufläche auf über 95.000 Hektar pro Jahr vervierfacht werden müsste, um das zeitgerecht bis zum Jahr 2050 zu schaffen. 

Enorme Zukunftsaufgaben liegen vor dem Wald – 10.000 neue Forststellen sind dafür nötig

Der Natur- und Artenschutz nimmt zum Erhalt der Biologischen Vielfalt berechtigterweise einen immer breiteren Raum ein. Viele Bürger fordern, sensibler mit den Wäldern umzugehen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen, Holz als Biowerkstoff klimaschützend vermehrt einzusetzen. Immer mehr Menschen nutzen die Wälder in Deutschland als Ausgleichsraum für überhitzte und öde Städte. Mit dem Klimawandel werden die Waldregionen zunehmend Grundlage für einen nachhaltigen Tourismus. Und der zunehmenden Naturentfremdung kommender Generationen soll durch mehr Umweltbildung in den Wäldern entgegengewirkt werden. Wälder werden als Wasserspeicher und als Hochwasserschutz wichtiger denn je, gleichzeitig werden Eingriffe für Windräder im Wald wegen der notwendigen Energiewende immer häufiger. „Es ist naiv anzunehmen, dass diese Herausforderungen, denen viele Kollegen und Kolleginnen sich schon jetzt stellen, nur mit mehr Geld und mit dem wenigen noch vorhandenen Personal zu bewältigen sind,“ so Pressereferent Rainer Städing. Der Bund Deutscher Forstleute fordert daher bundesweit eine Personalaufstockung von zehntausend Stellen. „Jeder Wald ist anders – er hat seine eigene Artenausstattung und eine spezielle Geschichte, er hat unterschiedliche Besitzer mit verschiedenen Interessen. Er gehört oft zu einer besonderen Kulturlandschaft und er ist klimatisch und von der Bodensituation her unterschiedlich – auch darauf müssen engagierte Fachleute vor Ort in Zusammenarbeit mit vielen Beteiligten eingehen können“, bekräftigt BDF-Vorsitzender Ulrich Dohle den notwendigen Paradigmenwechsel in den Forstbetrieben und -Behörden zu einer neuen umfassenden Waldpolitik.

Hintergrund:

Gerade im Wald werden die Folgen der Klimakrise sichtbar. Gleichzeitig ist er für das Erreichen unserer Klimaschutzziele unerlässlich. Durch einen gezielten Waldumbau müssen artenreiche und klimaresiliente Wälder mit überwiegend standortheimischen Baumarten geschaffen werden. Die Waldbewirtschaftung spielt dabei eine wichtige Rolle. Entsprechend dieser Ziele novellieren wir das Waldgesetz. Wir werden das Forstschädenausgleichsgesetz evaluieren und passen es gegebenenfalls an. Intervalle und Form der Bundeswaldinventur werden wir überprüfen und ein digitales Waldmonitoring einführen. Der Bund wird zusammen mit den Ländern einen langfristigen Ansatz entwickeln, der konkrete, über die bisherigen Zertifizierungssysteme hinausgehende Anforderungen an zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen adressiert, diese honoriert und die Waldbesitzer dadurch in die Lage versetzt, ihre Wälder klimaresilient weiterzuentwickeln und, wenn nötig, umzubauen oder Neu- und Wiederbewaldung zu unterstützen. Wir stoppen den Einschlag in alten, naturnahen Buchenwäldern in öffentlichem Besitz. Die Wälder im Bundesbesitz sollen mittelfristig mindestens nach FSC- oder Naturland-Standards bewirtschaftet werden. Wir fördern deninternationalen Waldschutz und die Waldrenaturierung. Wir setzen uns auf EU-Ebene für eine rechtlich verbindliche Regelung ein, die den Import von Produkten und Rohstoffen, die mit Entwaldung verbunden sind, verhindert. Mit einer Holzbauinitiative unterstützen wir die regionalen Holzwertschöpfungsketten. Wir wollen die Kaskadennutzung als Grundsatz verankern. Wir stärken forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse. Wir werden bundesweite Präventions- und Bekämpfungsstrategien erarbeiten und die Waldbrandbekämpfungsmöglichkeiten am Boden und aus der Luft, auch im Rahmen des Mechanismus rescEU, ausbauen. Wir fördern bodenschonende Waldbearbeitung, z. B. mit Rückepferden und Saatdrohnen.

Während in Deutschland nicht nur jeder gefällte Kubikmeter Holz nach Baumarten und Verwendungszweck akribisch in der Statistik erfasst wird, gibt es keine verlässlichen Daten über den Personalbestand im Forst- und Waldbereich. Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium hatte zuletzt im Februar 2020 in seiner Stellungnahme „Eckpunkte zur Waldstrategie 2050“ nur noch 75.000 Arbeitsplätze im Forstsektor identifiziert.  Demnach sind allein in den letzten zehn Jahren 25.000 Vollzeitarbeitsplätze verloren gegangen. Der BDF geht davon aus, dass von 1990 bis 2020 bundesweit 60 Prozent des Forstpersonals abgebaut worden ist.

Aktuell befinden sich viele Forstbetriebe in einem rasanten Generationswechsel. Es ist absehbar, dass -regional unterschiedlich- Facharbeiter wie Forstwirte und Forstwirtschaftsmeister fehlen werden und ebenso kommt es nach Beobachtung des BDF bereits zu Engpässen bei der Neubesetzung von Forstarbeitsplätzen mit Hochschul- oder Universitätsausbildung.

Im April 2021 präsentierte der bekannte Klimaforscher Prof. Schellnhuber seine Initiative „Bauhaus der Erde“ und forderte das Bauen massiv auf Holzverwendung und andere biobasierte Produkte umzustellen. Dadurch könne der Bausektor vom Problemverursacher als „Elefant im Klimaraum“ zum Problemlöser werden. Gemeint sind die Einsparung von Energie für Baustoffe, Bau, Betrieb und Abriss von Gebäuden und gleichzeitig die langjährige Speicherung von CO2 in Häusern aus Holz und anderen Materialien.

Gleichzeitig soll die Fläche der Schutzgebiete auf 30 Prozent erweitert werden und es besteht gesellschaftlicher Konsens, dass nicht „Holzplantagen“, sondern naturnahe Mischwälder die Zukunft unserer Wälder sind.

Bei solchen grundsätzlich richtigen Überlegungen für mehr Schutz und für mehr Holzverwendung bedarf es nach Einschätzung des BDF einer genauen Analyse dessen, was die Wälder leisten können.