13. Dezember 2021
Auf Facebook teilenAuf Twitter weitersagenArtikel versenden

Waldkindergärten - Draussen im Wald ist die ganze Welt

Forstgewerkschaft wünscht sich stärkere Unterstützung

Im Jahr 1993 wurde in Flensburg der erste bundesdeutsche Waldkindergarten eröffnet. Seitdem sind zumeist auf Basis von Elterninitiativen etwa zweitausend Natur- und Waldkindergärten in ganz Deutschland entstanden. „Dies war überall dort möglich, wo die für die Genehmigung zuständigen Gemeinden, die Waldbesitzenden und ihre Forstleute den Initiativen positiv gegenüberstanden“, weiß Ulrich Dohle, Vorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute (BDF). „Dennoch sollte die Einrichtung von Waldkindergärten, als tolle Ergänzung zu anderen Kitas, erleichtert und stärker unterstützt werden.“ Die derzeitigen Einrichtungen im Wald machen lediglich drei bis vier Prozent der bestehenden 58.500 Kitas aus.

„Wir nehmen aktuell ein großes Interesse an der Einrichtung neuer Waldkindergärten wahr“, stellt Ute Schulte-Ostermann vom Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten fest. „Leider müssen wir immer wieder mit bürokratischen Hürden kämpfen. Wird in einer Gemeinde die Aufstellung eines Bauwagens genehmigt, kann es zehn Kilometer weiter schon zu einer Ablehnung kommen. Auch bei den Jägern gibt es sehr gute Kooperationen, aber auch Ablehnung, die es zu überwinden gilt.“ Die Forstgewerkschaft BDF fordert daher von den zuständigen Ministerien Schritte, um neue Waldkindergärten zu unterstützen. „Diese Einrichtungen müssen in der Genehmigung zum Normalfall werden und die Kosten für Bauwagen und Sicherung der benutzten Waldgebiete müssen durch entsprechende Fördertöpfe unterstützt werden, erspart doch ein Kindergarten im Wald so manchen aufwändigen Kita-Neubau.“ fordert der BDF-Vorsitzende Dohle. Auch Forstbetriebe und Waldbesitzer fordert der BDF auf, Anfragen für Waldkindergärten konstruktiv zu begleiten. „Was ist es für ein Glück für uns als Gesellschaft, wenn Kinder in einem Waldkindergarten mitten in der Natur spielen und lernen können und damit bereits früh Verständnis und Wertschätzung gegenüber den Belangen des Waldes entwickeln“, freut sich Dohle über die Draußen-Kitas.

Waldkindergärten gut für Motorik und Gesundheit

Bei einem Waldbesuch unter der Woche trifft man sie oft - Waldkindergartengruppen, die meist mit Matschanzug und Gummistiefeln im Wald unterwegs sind, manchmal sitzen sie zum Frühstück auf dem Waldsofa oder stehen für Singspiele im Kreis auf einer Waldlichtung. Der bis auf Extremwetterlagen tägliche Aufenthalt im Wald tut auch der Gesundheit und der motorischen Entwicklung der Kinder gut. „Die Mitarbeiterin einer für die Unfallvorsorge zuständigen Berufsgenossenschaft erzählte, dass in Waldkindergärten weniger Unfälle passieren, da die Kleinen lernen sich sicherer zu bewegen“, weiß Rainer Städing, Pressereferent des BDF.  Hinsichtlich der waldtypischen Gefahren werden die Betreuer der Waldkindergärten laufend geschult und Gefahrstellen im genutzten Wald werden regelmäßig kontrolliert und beseitigt.

Auch Ganztagsbetreuung ist unproblematisch

Der Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten konnte nachweisen, dass auch die Ganztagsbetreuung mit Erledigung von Hausaufgaben bei entsprechend ausgestatteten Bauwagen problemlos möglich ist. „Danach können die Kinder den Nachmittag mit Entdeckungen, Spiel und Abenteuer im Wald verbringen – ohne Stoßlüften und Desinfizieren in Corona-Zeiten“, so Ute Schulte-Ostermann. „Von Beginn an erwerben sie Wichtiges für ihren Alltag und für ihre Zukunft. Sie können sich konzentrieren, machen eigene Erfahrungen und Beobachtungen, denn jeden Tag finden sie Neues in der Natur. Damit sind sie für die emotionalen und kognitiven Herausforderungen der Schule bestens gerüstet.“

Zusammenarbeit zwischen Forst und Kindergärten wichtig

Sehr erfreulich aus Sicht des Waldkindergarten-Verbandes sind die vielfältigen Kontakte zwischen Waldkindergärten und Forstleuten. So entstand aus einem gemeinsamen Projekt „Der Wald ist voller Nachhaltigkeit“ vor einigen Jahren ein gleichnamiges Buch mit vielen Anregungen. „Auch im Ausland stößt das Konzept eines ‚Kindergartens ohne Wände und Türen‘ auf zunehmendes Interesse und unsere Expertise wird von dort angefragt“, berichtet Schulte-Osterkamp aus ihrer langjährigen Arbeit.

Waldkindergärten liegen voll im Trend

In Nordwestmecklenburg hat Martina Scheller einen Waldkindergarten mitgegründet. „Der Bedarf an alternativen Betreuungsangeboten wächst stetig. Im Landkreis gibt es inzwischen vier Natur- und Waldkindergärten, alle mit Wartelisten zum Teil bis ins Jahr 2024“, so Scheller. „Auch für die Pädagogen schaffen wir interessante Arbeitsplätze mit weniger belastendem Betreuungsschlüssel.“ Scheller fühlt sich allerdings in der Auseinandersetzung mit Behörden alleingelassen und wünscht sich finanzielle Unterstützung bei der Einrichtung von Waldkindergärten. „Die Hürden für die Gründung eines Waldkindergartens sind teilweise viel zu hoch, da braucht man viel Idealismus und Willensstärke“, sieht Martina Scheller großen Verbesserungsbedarf. „Motivierend sind für uns die Unterstützung mit Spenden aus der Bevölkerung und der Zuspruch aus der Landesforst.“

 

Hintergrund

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) gibt es 58.500 Kitas in Deutschland mit 3,8 Millionen Kindern, was einer Betreuungsquote der drei- bis sechsjährigen Kinder von über 90 Prozent entspricht. Die zweitausend Natur- und Waldkindergärten sind eine Schätzung, da es keine offizielle Zählung gibt. Der Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten bemüht sich derzeit um Zertifizierungsstandards für Waldkindergärten.

Im Jahr 2013 befragte die Deutsche Wildtierstiftung 1.000 Waldkindergärten. Aus den 471 Rückmeldungen ergab sich, dass 73%, also fast drei Viertel aller Waldkindergärten, auf Basis von Elterninitiativen, Vereinen oder Verbänden betrieben werden. Lediglich 23 % der Einrichtungen waren demnach in der Hand von öffentlichen Trägern ( https://www.deutschewildtierstiftung.de/naturbildung/strukturdaten-waldkindergaerten-in-deutschland).

Die meisten Informationen über Waldkindergärten und ein Verzeichnis der deutschlandweiten Einrichtungen bietet der Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten (https://www.bvnw.de/) Dort bekommen interessierte Eltern und Initiativen auch ehrenamtliche Beratung und Unterstützung.

Pressemitteilung