Jährlich am Weltbodentag gibt das Kuratorium Boden des Jahres die Auswahl für das kommende Jahr bekannt. Für 2024 ist dies der „Waldboden“. Waldböden umfassen immerhin fast ein Drittel der Landesfläche Deutschlands. „Historisch gesehen sind die Waldböden durch die menschlichen Rodungen sehr stark zurückgegangen. Die vormals leistungsfähigsten Waldböden sind heute landwirtschaftlich genutzt“, weiß der Vorsitzende des Bundes Deutscher Forstleute (BDF), Ulrich Dohle. „Unsere heutigen Waldböden waren zudem über Jahrhunderte sehr unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt. Böden unter wieder bewaldeten Heideflächen sind bis heute nährstoffarm und oft versauert, während in sogenannten historisch alten Wäldern unsere am wenigsten veränderten Böden vorkommen.“
Selbstkritisch merkte der Berufsverband der Forstleute an, dass zwar stets die historische Übernutzung der Waldböden durch Laub- und Streunutzung und Plaggenhiebe durch die Bevölkerung beklagt wurde, aber auch die Forstwirtschaft der Neuzeit dem Waldboden lange wenig Beachtung geschenkt hat. So wurde in Norddeutschland nach dem Sturm Quimburga im Jahr 1972 für die Wiederaufforstung der Sturmflächen teils brachial der Oberboden abgeschoben um Acker-ähnliche Pflanzflächen zu schaffen. Mit der Folge, dass oft nach einigen Jahren der Nährstoffmangel auf den so verarmten Flächen zu Wuchsdepressionen führte. „Während unsere Waldpädagogen den Kindern im Wald vermitteln, dass unter einem auf Waldboden gesetzten Fuß mehr Lebewesen sind, als Menschen auf der Erde“, so Dohle weiter, „wird der Boden von uns Fachleuten vor allem mit Blick auf die Wasserhaltefähigkeit und die enthaltenen Nährstoffe betrachtet. Die Lebendigkeit des Mikrobioms Waldbodens ist bis heute -auch in der forstlichen Standortkartierung- unterbelichtet.“
Dabei ist ein artenreicher und gemischter Wald, wie er heute von vielen Forstleuten und Waldbesitzern angestrebt wird, nur möglich, wenn der „unterirdische Wald“ ähnlich aufgebaut ist, wie über dem Erdboden. Eine Vielzahl von verschiedenen Baumarten unterschiedlichen Alters erschließt den Waldboden mit einem dichten Wurzelwerk über möglichst viele Keller-Etagen. Die symbiontischen Verbindungen mit Mykorrhiza-Pilzen sind schon lange bekannt und das komplexe Beziehungsgefüge wird nach und nach erforscht. Ebenso alles weitere Leben, welches den Boden ausmacht und für perfektes Recycling aller auf den Boden fallenden Materialien sorgt. „Da unsere Waldböden nicht gedüngt und gepflügt werden, müssen die unzähligen Bodenlebewesen für Nährstoffrecycling, Belüftung, Auflockerung und Verbesserung der Wasseraufnahmefähigkeit sorgen“, so Dohle weiter. Für den BDF, der sich gerade auch mit Blick auf den Klimawandel für stabile Mischwälder in Form von Dauerwaldsystemen ausspricht, schließt das den sensiblen Umgang mit den Waldböden bei der Waldbewirtschaftung ein. „Flächiges Befahren und Verdichten von Waldböden, sowie ihre Entwässerung und der übermäßige Entzug von Nährstoffen müssen der Vergangenheit angehören“, plädiert Dohle für mehr Problembewusstsein in den Forstbetrieben und den Wasser- und Bodenverbänden. „Zudem müssen unsere Wissenschaftler vermehrt Licht in das Dunkel der Waldböden bringen, um im unterirdischen Wald das Zusammenspiel der Arten zu verstehen und die Nutzung als Kohlenstoffspeicher zu optimieren."
Aufgrund der hohen Filterleistung der Baumkronen sind die Waldböden bis heute einer erhöhten Schadstoff-Fracht ausgesetzt. Vor allem Stickstoff-Verbindungen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der Landwirtschaft setzen den Waldböden in Form steigender Versauerung und verringerter Nährstoffaufnahme zu.
Hintergründe:
Waldböden als die Basis
Waldböden sind die Grundlage für die Existenz von Wäldern. Im Boden verankert sich die Bäume, die in Deutschland 30 bis 50 Meter hoch werden können, gegen Wind und Stürme. Aus dem Waldboden beziehen sie ihre Nährstoffe, die aus der Bodenverwitterung und dem Recycling der organischen Abfälle (Laub, Nadelstreu, Reisig, Holz) durch Humifizierung entstehen. Wenn die Baumwurzeln kein Grundwasser erreichen, beziehen sie das für Fotosynthese und Verdunstung notwendige Wasser aus dem Boden, abhängig von der Bodentiefe, seiner Struktur und dem Humusgehalt.
Von diesen und weiteren Parametern hängt das Baumwachstum und die Entwicklung verschiedenster Waldtypen ab. Ein Extrem ist der Bruchwald, der so nass ist, dass nur bestimmte Baumarten wie Erlen und Weiden dort wachsen. Ein weiteres Extrem sind steinige Hänge mit geringer Bodenauflage, in denen Bäume mehr schlecht als recht überleben und mit ihren Wurzeln tief in die Klüfte und Risse im Gestein gehen.
Waldboden - ein sich selbst regenerierendes System
Da hiesige Waldböden in der Regel nicht durch Bodenbearbeitung gelockert und belüftet und weder gedüngt noch bewässert werden, übernehmen die Bodenorganismen diese Aufgabe.
Das Edaphon als Kompostierwerk des Waldes
Jeder Waldboden ist mit einer humosen Abfallschicht bedeckt, die im Prinzip dem Recycling der Abfallstoffe der Bäume (Blätter, Nadeln, Reisig, Zweige, ganze Bäume) dient. Je besser die Kompostierung dieser organischen Stoffe durch die unzähligen größeren und kleinen Bodenlebewesen gelingt, desto intensiver ist die Verzahnung mit dem darunter befindlichen Boden und die Verfügbarkeit für die Bäume des Waldes.
Eine besondere Rolle spielt dabei der Regenwurm: Die über 30 Regenwurmarten schaffen ein eigenes Hohlraumsystem im Boden in Form von ausgekleideten Röhren, die bis zu zwei Meter tief reichen. Im Extremfall können es auch zehn Meter sein. Das Bohren der Gänge belüftet den Boden und erhöht die Wasserspeicherkapazität. Indem sie Blattteile in die Gänge ziehen, durchmischen die Würmer den Boden und mit ihrem Regenwurmkot erhöhen sie die Bodenfruchtbarkeit. Zum Edaphon siehe auch: https://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/edaphon/3700
Unfassbares unterirdisches Zusammenspiel
Weil das Zusammenspiel der Baumwurzeln mit dem Bodenleben so wenig erforscht ist, gibt es Erzählungen und Mythen, die von Fachleuten teilweise kritisch beurteilt werden. Fakt ist jedoch die Symbiose von Mykorrhiza-Pilzen mit Baumwurzeln zum gegenseitigen Nutzen. Die künstlichen
Einträge von Stickstoff beeinträchtigen diese Win-Win-Situation: https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/pflanzenoekologie/mykorrhiza
Kahllagen vermeiden
Durch Kahlhiebe und Waldschäden entstehende größere Freiflächen beeinträchtigen den geschlossenen Nährstoffkreislauf des Waldes erheblich. Die Nährstofffreisetzung steigt für einige Jahre stark an, insbesondere Stickstoffverbindungen. So werden mit dem Nitrat auch andere Nährstoffe ausgewaschen oder verlagert. Die Bodenversauerung nimmt zu.
Historische (Über-)Nutzungsformen der Waldböden
In der Vergangenheit wurden Waldböden durch Übernutzung von Holz und vor allem von Laub- und Nadelstreu sowie Reisig für Viehweide und Felddüngung so verarmt, dass die Nährstoffverluste tlw. bis heute im Waldboden erkennbar sind. Entwaldete und durch Übernutzung zu Heide degradierte Flächen, die wiederaufgeforstet wurden, leiden bis heute unter Nährstoffarmut und Versauerung.
Bodenversauerung – was geht ab und was sind die Folgen?
Kurz gesagt – je saurer ein Waldboden, desto weniger der (Haupt)-Nährstoffe stehen zur Verfügung und desto geringer ist die Aktivität und die Artenvielfalt der Bodenlebewesen, des Edaphons. Die saure oder alkalische Reaktion von Böden wird über den sog. pH-Wert definiert. Er reicht im Wald von stark sauer (pH 4-5) bis in den alkalischen Bereich ab pH 7 und darüber.
Insbesondere die oberen Bodenschichten sind zunehmend von Versauerung betroffen, wie die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft etwa hier beschreibt: https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/waldbau/standortskunde/sauer-oder-sattzen
Da diese oberflächliche Versauerung mit den anhaltenden menschengemachten Emissionen zu tun hat (Saurer Regen, Stickoxyd-Emissionen und Stickstoffeinträge) werden in begrenztem Maße sog. Bodenschutzkalkungen durchgeführt um die Negativeffekte zu bremsen.
Die Uni Innsbruck stellt in einem Forschungsbericht fest: In wärmeren und/oder feuchten Ökosystemen mit vielen Pflanzen, hängt die mikrobielle Diversität besonders vom pH-Wert des Bodens ab. https://www.uibk.ac.at/de/newsroom/2019/biodiversitaet-neue-erkenntnisse-zum-mikrobiom-im-boden/
Das Thünen-Institut für Waldökosysteme erstellte 2021 eine deutschlandweite pH-Wert-Karte für die Böden. Für landwirtschaftliche und für Böden im Wald wurde festgestellt, dass der pH-Wert im Oberboden auf drei Viertel der Flächen geringer ist als im Unterboden.
Versauerung betrifft vor allem Wälder:
„Waldböden sind häufig durch niedrige pH-Werte gekennzeichnet. Das betrifft vor allem Böden unter Kiefernwäldern in Nordostdeutschland und Teilen Norddeutschlands aus nährstoffarmen Lockersedimenten und die Fichtenwälder der Mittelgebirgsregionen aus kristallinem Ausgangsgestein.“
Die erstellten Karten bestätigen die niedrigen pH-Werte für unsere Wälder eindrucksvoll:
https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/waldoekosysteme/projekte/bodenschutz-und-waldzustand/projekte-bodenzustandserhebung/die-ph-werte-der-boeden-von-waeldern-und-landwirtschaftlichen-nutzflaechen-deutschlands
Weitere Pressinformationen des BDF zum Thema
https://www.bdf-online.de/aktuelles/news/verkannte-leistungstraeger-im-waldboden-fokus-auf-leit-art-regenwurm-verstaerken/
https://www.bdf-online.de/aktuelles/news/bodenschutz-durch-rasche-wiederbewaldung-und-waldumbau-verbessern/
https://www.bdf-online.de/aktuelles/news/regenwuermer-lieben-laub-und-mischwaelder/
https://www.bdf-online.de/aktuelles/news/forstgewerkschaft-fuer-sorgsamen-umgang-mit-waldboden/
Forderungen des BDF (Auszug aus dem BDF-Waldprogramm)
1.1. Bodenschutz und Standortpotenzial
Der Waldboden ist die Grundlage des Waldwachstums. In ihm leben pro Kubikmeter bis zu 300.000 Tiere, Pilze, Bakterien und Einzeller. Sie fördern den Stoffhaushalt und lockern den Boden, so dass Luft und Wasser pflanzenverfügbar werden.
Der Wald schützt den Boden vor Bodenerosion durch Abtrag und Verwehung und leistet einen wichtigen Beitrag zum Gewässerschutz. Durch seine Filterwirkung ist er Garant für sauberes Trinkwasser. Außerdem speichern die Waldböden unter Deutschlands Wäldern mehr als 1,3 Milliarden Tonnen Kohlenstoff und tragen auf diese Weise wesentlich zum Klimaschutz bei.
Allerdings ist der Waldboden bedroht: Schadstoffeinträge aus der Luft (u. a. Stickoxide), aber auch die Verdichtung durch Befahrung bei der Waldbewirtschaftung führen zur Verschlechterung seiner Leistungsfähigkeit.
Der BDF fordert vor diesem Hintergrund:
• Luftschadstoffe und deren schädliche Auswirkungen auf den Boden sind zu reduzieren.
• Die Bodenbefahrung im Wald ist zu reduzieren. Es hat eine konsequente Konzentration auf vorher festgelegte Fahrlinien, so genannte Rückegassen und Rückewege, zu erfolgen, um das Bodengefüge zu erhalten und die Bodenfruchtbarkeit zu bewahren. Die notwendige Befahrung hat pfleglich und nur mit geeigneten Maschinen zum geeigneten Zeitpunkt bei Trockenheit oder Bodenfrost zu erfolgen. Der Schutz des Bodens hat Vorrang vor der Gewinnerzielung.
Die Nutzungsintensität des Waldes ist an die Leistungsfähigkeit des Bodens anzupassen. Eine Nutzung von ganzen Bäumen inklusive Wurzeln, kleiner Äste und Feinreisig hat zu unterbleiben, da den Böden auf diese Weise zu viele Nährstoffe entzogen würden. Eine Düngung der Böden, wie sie in der Landwirtschaft üblich ist, hat im Wald weiterhin zu unterbleiben, denn sie würde das natürliche Bodengefüge mit negativen Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem Wald verfälschen.