03. Februar 2023
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Wasser satt?

Warum unsere Niederschläge nicht in Ruhe versickern können

Dieser Winter hat es in sich, unablässige Niederschläge scheinen für eine gute Auffüllung der Bodenwasservorräte für den Sommer und des Grundwassers zu sorgen. So lag der bundesweite Niederschlag im September bereits 65 Prozent über dem vieljährigen Mittel und die Folgemonate erreichen in der Regenmenge fast den mehrjährigen Durchschnitt. „Die Regenmengen und die gut gefüllten Flüsse dürfen uns jedoch nicht täuschen“, so Ulrich Dohle, Vorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute (BDF). „Das Niederschlagswasser, welches auf den Boden gelangt, wird immer noch viel zu schnell aus der Landschaft abgeführt, anstatt in Ruhe versickern zu können.“

Unter anderem mit der Entwässerung der Landschaft sind in Deutschland mehrere tausend Wasser- und Bodenverbände befasst. Sie verwalten sich selbst und unterliegen keiner Fachaufsicht, sondern lediglich einer Rechtsaufsicht durch staatliche Stellen. „Wir fordern auch mit Blick auf den Wasserhaushalt für die Wälder in Zeiten des Klimawandels eine gesetzliche Aufgabenumkehr“, so Vorsitzender Ulrich Dohle. „Ein Oberflächenwassermanagement mit dem Ziel möglichst viel Wasser zur Versickerung in Boden und Grundwasser zu halten, muss gesetzliche Vorrangaufgabe werden. Waldbesitzer müssen von Entwässerungs-Beiträgen befreit werden, da sie in der Regel eher Nachteile von Veränderungen im Wasserhaushalt erleiden.“
In den Wäldern sieht der BDF positive Entwicklungen, wenn der Waldumbau mit mehr Laubgehölzen forciert wird. „Laubbäume lassen im Winterhalbjahr deutlich mehr Niederschläge versickern als Nadelgehölze“, so Ulrich Dohle. Der BDF geht davon aus, dass die meisten Waldbesitzenden und vor allem die öffentlichen Forstbetriebe ihre Wälder nicht mehr entwässern und im Gegenteil aktive Wasserrückhaltung betreiben. „Wenn aber begradigte Gewässer die Wälder durchschneiden und wenn die Vorfluter im Randbereich der Wälder künstlich vertieft werden, dann verlieren auch die Wälder unnötig Wasser, das im Sommer gebraucht wird“, weist Dohle auf die komplexen Wechselwirkungen hin. Darüber hinaus müsse auch der ökologische Zustand der Waldmoore in vielen Bereichen weiter verbessert werden. Die Forstwirtschaft könne außerdem einen wichtigen aktiven Beitrag zur Wasserspeicherfähigkeit von Waldböden leisten, indem sie durch angepasste Arbeitsverfahren den Bodenschutz weiter verbessert und darüber hinaus in der täglichen Arbeit alle großen und kleinen Stellschrauben für mehr Wasserrückhaltung und -Speicherung berücksichtige.

Hintergrund:
Für die Ergänzung der Bodenwasservorräte und der Grundwasserspeicher sind die Winterniederschläge entscheidend, während der Regen im Sommer ganz überwiegend durch die Pflanzen selbst, die Blatt- und Bodenoberflächen wieder verdunstet wird (sog. Evapotranspiration).

Wenn der Boden bei Niederschlag wassergesättigt ist, kommt es zu Oberflächenabfluss (surface run). Zusammen mit dem unterirdischen seitlichen Abfluss, dem sogenannten Zwischenabfluss (inferflow) ergießt sich das in der Wasserwirtschaft als Direktabfluss bezeichnete Wasser in Gräben und Vorfluter, in Bäche und Flüsse. Beschleunigt wird der Wasserabfluss in der offenen Landschaft durch vertiefte Gewässersohlen, begradigte Bäche und Flüsse und durch Verlust an temporärer Überschwemmungsfläche infolge von Eindeichungen.

In den Städten ist die Situation noch gravierender, etwa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen sind in Deutschland versiegelt, mit steigender Tendenz (Umweltbundesamt, 2020).

Das im Direktabfluss abgeführte Wasser steht für die Auffüllung des Wasserspeichers Boden und für die Grundwasserbildung nicht mehr zur Verfügung. Ein Problem mit Blick auf den Klimawandel und zunehmende Sommerdürren, höhere Sommertemperaturen und verlängerte Vegetationszeiten. Fachpublikationen beschreiben die Situation besonders für die ostdeutschen Bundesländer als kritisch, z.B. das Umweltbundesamt (UBA) am 26.11.2019: (https://www.umweltbundesamt.de/ww-i-1-das-indikator#ww-i-1-grundwasserstand).

Die Nationale Wasserstrategie
In ihrem Entwurf einer Nationalen Wasserstrategie vom 25. Nov. 2022 https://www.bmuv.de/download/regierungsentwurf-nationale-wasserstrategie stellt die Bundesregierung u.a. fest:

➢ Wasserentnahmen, Drainagen, Gewässerausbau, Bodenverdichtung, standortunangepasste Bewirtschaftung und die umfangreiche Versiegelung von Flächen überprägen und beeinträchtigen den natürlichen Wasserhaushalt#; der Ausbau von Fließgewässern führte in der Vergangenheit zu erhöhten und schnelleren Abflüssen, steigerte neben anderen Faktoren die Hochwassergefahr bei den Unterliegern, wirkt der Wasserrückhaltung entgegen und beeinträchtigt die Ökologie und natürliche Dynamik von Fließgewässersystemen.

➢ Zwei Drittel der Flussauen in Deutschland stehen bei Hochwasser nicht mehr als Überschwemmungsflächen zur Verfügung. An den großen Flüssen existieren an vielen Abschnitten nur noch 10–20 % der ehemaligen Auen.
Als Ziel (Vision 2050) definiert der komplexe Strategie-Entwurf u.a.:

➢ Drainagen von land- und forstwirtschaftlichen Flächen sind weitest möglich zurückgebaut oder so umgebaut, dass sie auch der Bewässerung dienen können. Das Wasser wird so in der Landschaft zurückgehalten, Boden- und Landschaftswasserhaushalt sind stabilisiert (Ausgleich zwischen Niederschlags- und Trockenphasen). Quellen und Quellgerinne sind renaturiert worden.
Bewässerungsteiche und Zisternen puffern den landwirtschaftlichen Wasserbedarf in Trockenphasen ab. (975)

➢ Die umfänglichen flächenhaften Entwässerungsanlagen in der genutzten Landschaft sind rückgebaut oder derart weiterentwickelt worden, dass sie zu einem effektiven Wassermanagement und zur Stabilisierung des Landschaftswasserhaushalts beitragen. Sie unterstützen die Wiedervernässungsmaßnahmen der Moorböden und tragen durch die Stabilisierung der Torfkörper zur Minderung der Treibhausgasemissionen aus entwässerten Moorböden bei. (1870)

➢ Die wassersensible Stadtentwicklung ist etabliert. Sie verfolgt das Ziel der Entsiegelung von möglichst vielen Flächen und der Speicherung, Versickerung, Verdunstung und Nutzung von Regenwasser sowie der Nutzung von Grauwasser/Brauchwasser im urbanen Raum. Ein intakter städtischer Wasserhaushalt ist geprägt von einer guten Wasserverfügbarkeit für die städtische Vegetation und die Bewässerung der grünen Infrastruktur, der Stärkung der Verdunstungskühlung sowie der Verminderung der Risiken durch Überflutung. (1020)

Den Wäldern weist die Nationale Wasserstrategie eine besondere Bedeutung zu

➢ Klimaresiliente Waldökosysteme dienen dem Erhalt der biologischen Vielfalt dem Klimaschutz und der Klimaanpassung sowie auch dem Gewässerschutz in besonderer Weise. Sie schützen Wasserhaushalt und Gewässer, indem sie Wasser filtern, speichern und zeitverzögert wieder abgeben, womit sie zur Grundwasserneubildung beitragen. Sie dämpfen so Hochwasser durch Verzögerung der Abflussspitzen. Sie wirken der Erosion durch Wasser und Wind, Erdrutschen und Humusschwund entgegen. In ihrer Biomasse und im Boden binden sie Nährstoffe und Kohlenstoff. Eine nachhaltige Forstwirtschaft mit dem Ziel, naturnahe Wälder zu entwickeln bzw. zu erhalten, unterstützt die dauerhafte Sicherung dieser Leistungen in besonderer Weise. (1005)

➢ Wälder werden so bewirtschaftet, dass die Wasserspeicherfunktion und die Wasserhaltekapazität des Waldbodens erhalten und nach Möglichkeit verbessert werden. Die Waldbewirtschaftung soll im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beitragen, den Oberflächenabfluss von Niederschlägen zu mindern und den Bodenwasserspeicher / das Grundwasser aufzufüllen. Diese Ziele sollten durchn entsprechende Anreize für wasserwirtschaftliche Ökosystemleistungen der Wälder unterstützt werden. Im Rahmen der vorgesehenen Novellierung des Bundeswaldgesetzes wird geprüft, inwieweit diese Belange vorangebracht werden können. (1105)

Vision 2050:
➢ … Für alle Moore, Feuchtgebiete und wasserabhängigen Lebensräume sowie für Wälder sind ein naturnaher Landschaftswasserhaushalt sowie ausreichende Grundwasserstände dauerhaft gesichert. Der Wasserhaushalt steht in Balance mit den Nutzungsansprüchen.


Wasser- und Bodenverbände in Deutschland

Mehrere tausend Verbände (Wikipedia) kümmern sich in Deutschland um die Gewässerunterhaltung, Beregnung und ähnliche Aufgaben als Körperschaften des öffentlichen Rechts auf Grundlage eines eigenen Bundesgesetzes (Wasserverbandsgesetz-WVG) und eigener Ländergesetze. „Der Verband dient dem öffentlichen Interesse und dem Nutzen seiner Mitglieder; …“ so der §1 des WVG. Mitglieder sind in der Regel Landwirte und die weiteren Grundeigentümer im Verbandsgebiet.

Auf Landesebene haben sich die Verbände teilweise in eigenen Wasserverbandstagen zusammengeschlossen und auf Bundesebene vertritt der Dt. Bund der verbandlichen Wasserwirtschaft e.V. (DBVW) die Interessen von 10 Landesverbänden. Die Aufgabenänderung im Bereich der Gewässerunterhaltung beschreibt der Verband auf seiner Internetseite so:
…Bis in die 80er Jahre wurden die Gewässer vom Menschen so gestaltet, dass das Oberflächenwasser möglichst schnell abfließen konnte.

Seit vielen Jahren werden in der modernen Gewässerunterhaltung jedoch auch Aspekte von Landschafts- und Naturschutz gleichrangig berücksichtigt. Im Dezember 2000 wurde die EU-Wasserrahmenrichtlinie beschlossen, nach deren Vorgaben die Gewässerunterhaltung arbeitet um die Qualität europaweiter Gewässer zu erhöhen und zu sichern. Dabei werden die unterschiedlichen ökonomischen und ökologischen Interessen, die an die Gewässer gestellt werden, ausgeglichen. Wassermengen- und Wasserqualitätsmanagement sind die Maßstäbe des Handelns….https://dbvw.de/gewaesserunterhaltung/

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