Ein tödlicher Unfall, vor zwei Jahren herbeigeführt durch einen umstürzenden Waldbaum am Rande einer Straße, beschäftigt zurzeit die Öffentlichkeit und die Gerichte. Für den Bund Deutscher Forstleute (BDF) ist das Anlass, einmal grundsätzlich auf die Gefahren zu schauen, die vom Wald ausgehen können. „Wir bedauern jeden Unfall bei dem Personen zu Schaden oder gar zu Tode kommen, das ist mit viel persönlichem Leid verbunden“, so Bundesvorsitzender Ulrich Dohle.
„Wir wissen aber auch, dass es im Wald und an bewaldeten Verkehrswegen keine hundertprozentige Sicherheit geben kann.“ Allerdings weist der BDF darauf hin, dass die Art dieser Unfälle im Vergleich zum sonstigen Unfallgeschehen in unserem Land verschwindend gering ist. „Gleichwohl müssen wir feststellen, dass durch den Forstpersonalabbau der letzten Jahrzehnte das Risiko besteht, dass die durch die Rechtsprechung gewachsene Verkehrssicherungspflicht an Verkehrswegen nicht sorgfältig genug durchgeführt werden kann, so dass das Unfallrisiko steigt und die verantwortlichen Kollegen oder Kolleginnen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen“, so Ulrich Dohle. „Die andere Entwicklung ist die, dass teilweise keine individuelle Baumschau mehr durchgeführt wird, sondern Waldränder in großem Stil vorbeugend zurückgedrängt werden, mit negativen Auswirkungen auf das Ökosystem Wald und das Landschaftsbild.“ Der BDF weist darauf hin, dass die Forstbetriebe und Waldbesitzer ein Mitverschulden trifft, wenn die vorgeschriebene Baumkontrolle nicht mit genügend Fachpersonal ausgestattet wird.
Bäume sind Naturprodukte und keine genormten Gegenstände. Für eine sachgerechte Kontrolle benötigt man daher die entsprechende Sachkunde, möglichst viel Erfahrung und Zeit. An letzterem mangelt es aus Sicht des BDF im Forstbereich ganz erheblich. „Von 1990 bis heute ist deutschlandweit mehr als die Hälfte des Forstpersonals abgebaut worden. Alleine von 2012 bis 2020 sind 25.000 Arbeitsplätze im Forstsektor verloren gegangen. Ein Aufgabenabbau hat allerdings nicht stattgefunden, sondern -im Gegenteil- eine erhebliche Arbeitsverdichtung“, so Ulrich Dohle.
Hintergrund 1:
Es gibt in Deutschland 230.000 km öffentliche Straßen für den überörtlichen Verkehr (Autobahnen, Bundesstraßen, Landstraßen, Kreisstraßen). Dazu kommen eine nicht ermittelbare Länge von Gemeindestraßen. Hinzu kommen 38.500 km Schienenwege. Davon ausgehend, dass etwa 30% (Waldanteil in Deutschland: 34%) dieser überörtlichen Verkehrseinrichtungen durch Wälder führen, müssen schätzungsweise jährlich 80.550 Kilometer Verkehrswege ein bis zweimal jährlich beidseitig kontrolliert werden. Die Kontrollstrecken erstrecken sich also über eine Länge von 322.000 km – beide Seiten gerechnet. Das entspricht bei einer Kontrollbreite von 50 Metern auf jeder bewaldeten Straßenseite 1.6 Millionen Hektar Wald, die von Forstleuten über ein bis zwei Jahre begangen werden und auf denen jeder einzelne Baum begutachtet werden muss. Das sind 14% der deutschen Waldfläche!
Durch dieses riesige Aufgabenfeld bei zu wenig Fachpersonal zeichnen sich für den BDF vor allem zwei besorgniserregende Entwicklungen ab:
• Die erforderlichen Maßnahmen werden nicht mit der notwendigen Sorgfalt durchgeführt; unbeteiligte Dritte können zu Schaden kommen; dem verantwortlichen Forstpersonal drohen strafrechtliche Konsequenzen.
• Es wird keine individuelle Baumschau durchgeführt, sondern „zur Sicherheit“ werden im großen Stil Waldränder an Verkehrswegen soweit zurückgedrängt, dass mögliche Gefahren auf lange Zeit oder sogar dauerhaft weitgehend ausgeschlossen sind. Das ist verbunden mit entsprechenden negativen Folgen für das Ökosystem Wald und das Landschaftsbild.
„Beide Entwicklungen halten wir für nicht sachgerecht“, zeigt sich Ulrich Dohle unzufrieden.
Hintergrund 2:
Die Verkehrssicherung für die Auswirkungen von Waldbäumen auf angrenzende Grundstücke betrifft Verkehrswege, wie Straßen und Eisenbahnlinien und benachbarte (bebaute) Grundstücke. Die Pflicht zur Verkehrssicherung wird aus der allgemeinen Haftungsregelung nach § 823 BGB Abs. 1 abgeleitet, die über die letzten Jahrzehnte von einer Vielzahl von Gerichtsurteilen konkretisiert wurde.
Für Straßen und ähnliche Verkehrswege entlang oder durch den Wald hat sich bei den meisten Forstbetrieben eine abwechselnde Baumschau im belaubten und im unbelaubten Zustand innerhalb von ein bis zwei Jahren etabliert. D.h. auf einer Tiefe von 50 Metern, das entspricht etwa 1,5 Baumlängen, ist jeder Baum in Augenschein zu nehmen und die Ergebnisse sind gerichtsfest zu protokollieren.
Ähnliche Regelungen sind für Eisenbahnlinien erstmals seit 2021 in das Allg. Eisenbahngesetz eingeflossen. Neu ist, dass auch der Streckenbetreiber zu regelmäßigen Kontrollen verpflichtet ist und bei Gefahr im Verzuge Bäume beseitigen kann – allerdings auf Kosten des Waldeigentümers. Erstmals sind damit auch Pflichten auf den Streckenbetreiber übergegangen.
Für an Wald angrenzende bebaute Grundstücke gibt es keine eindeutigen rechtlichen Regelungen. Entlang von Baugrundstücken haben sich unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Gefahrminimierung entwickelt. Neue Bebauungen sollen möglichst mit 30-50 Meter Abstand zum Wald geplant werden. Dafür ist beispielsweise in Sachsen ein 30-Meter-Abstand im Waldgesetz vorgeschrieben, in anderen Bundesländern gibt es lediglich nicht bindende Empfehlungen in den Raumordnungsprogrammen.
Im Wald selbst besteht grundsätzlich keine Verkehrssicherungspflicht - das Waldbetreten geschieht dort auf eigene Gefahr. Lediglich Erholungseinrichtungen u.ä. sind zu sichern.
Wer kontrolliert und wie?
Die Kontrollen werden als sorgfältige Sichtkontrollen vom Boden aus durchgeführt, bei Verdacht auf Gefahr werden ggf. weitere Untersuchungen vorgenommen. Die sog. FLL-Baumkontrollrichtlinien sind dafür die fachliche Grundlage.
Berechtigt zu Baumkontrollen sind Forstleute mit abgeschl. Studium, Forstwirtschaftsmeister, Öffentlich bestellte Sachverständige, Baumkontrolleure und Fachagrarwirte Baumpflege. Auch Forstwirte, Gärtner und ähnliche Berufe sind mit entspr. Fortbildung (z.B. FLL-Zertifikat) im Einsatz.
Für den BDF ist wichtig, dass die Arbeitgeber ihre Forstmitarbeiter regelmäßig zur Verkehrssicherung schulen und die notwendigen Qualifizierungen (z.B. FLL-Baumkontroll-Zertifikat) ermöglichen.
BDF-Arbeitskreis Verkehrssicherung
Der Bund Deutscher Forstleute unterhält wegen der Bedeutung des Themas für die Mitgliederschaft einen eigenen Arbeitskreis Verkehrssicherung und ist seit 2012 Mitglied in der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung, Landbau e.V. (FLL). Dort beteiligt er sich an der Erarbeitung von Standards und an Tagungen. https://www.bdf-online.de/der-bdf/arbeitskreise/verkehrssicherung/