13. September 2022

Deutsche Waldtage 2022

Beispielhafte Leitlinie zur Wiederbewaldung

Oberbergischer Kreis bringt alle Akteure an einen Tisch

Die Wiederbewaldung der riesigen Waldschadensflächen der letzten vier Jahre wird bundesweit kontrovers diskutiert. Dabei reichen die Meinungen von „gar nichts tun“ bis zur Nutzung des Schadholzes und intensiver Wiederaufforstung. Einen sehr konstruktiven Weg diese Jahrhundertaufgabe zu bewältigen, ist der Oberbergische Kreis östlich von Köln gegangen. Eine Zielvereinbarung zur Wiederbewaldung unter Einbeziehung von Naturschutz und Jagdbelangen in die Planungen der Waldbesitzer und Forstleute wurde jetzt von sechzehn Akteuren und Institutionen aus diesen Bereichen unterzeichnet.

„Der Bund Deutscher Forstleute (BDF) hält diese Zusammenarbeit für mustergültig“, so Bundesvorsitzender Ulrich Dohle. „Die Entwicklung naturnaher, gemischter und klimaresilienter Wälder kann nur gelingen, wenn die unterschiedlichen Interessen ausdiskutiert und zusammengebracht werden.“ So ist die Förderung der Biodiversität vor allem durch mehr Vertragsnaturschutz ebenso ein Anliegen, wie der Erhalt der Wälder als Rohstoff- und Einkommensquelle. Eine besondere Verantwortung haben in den nächsten Jahren die Jäger. „Bis die neuen Wälder zu dichten und kaum durchdringlichen Jungwäldern, den sogenannten „Dickungen“ heranwachsen, muss die Bejagung von Reh und Hirsch so intensiviert werden, dass eine unkontrollierte Wildvermehrung und damit steigender Wildverbiss die baumartenreiche Walderneuerung nicht infrage stellt“, erläutert Dohle, der selbst die Jagd in seinem Waldrevier organisiert.

„Aufgrund eines Beschlusses des Kreistages, übernahm Umweltdezernent Frank Herhaus mit Gespür für das Machbare die Moderation“ berichtet Kay Bönig, zuständiger Forstamtsleiter beim Landesbetrieb Wald und Holz. „Im Arbeitskreis waren sich alle Beteiligten der großen Herausforderung und der gemeinsamen Verantwortung für eine erfolgreiche Wiederbewaldung bewusst und der begonnene Dialogprozess wird fortgesetzt.“ Umweltdezernent Herhaus macht deutlich, dass es sich um eine Empfehlung handelt: „Wir können natürlich nichts vorgeben. Die Entscheidung vor Ort treffen immer die Waldeigentümerinnen und -eigentümer, für ihren Grund und Boden.“

Der BDF sieht dieses Vorgehen als Modell, das auf viele Regionen in Deutschland übertragbar wäre, wenn die örtlichen Akteure aus Naturschutz, Jagd und Waldwirtschaft sich darauf einließen.

 

Hintergrund 1

Waldflächenverlust entspricht mindestens der doppelten Fläche des Saarlandes

Deutschlandweit wurden laut Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums 500.000 Hektar Wald durch die Stürme und Borkenkäferkalamitäten der letzten vier Jahre (seit 2018) vernichtet. Das entspricht der zweifachen Fläche des Saarlandes. Der Bund Deutscher Forstleute geht davon aus, dass diese Zahlen bereits deutlich höher liegen, aufgrund der Stürme und Dürre in diesem Jahr. Parallel stehen die Forstleute bundesweit vor der Aufgabe weitere Schäden zu minimieren und den Umbau der verbliebenen Nadelwälder in Mischwälder mit hohem Laubbaumanteil voranzutreiben. So hatte das bundeseigene Thünen-Institut für Waldökosysteme vor anderthalb Jahren berechnet, dass etwa drei Millionen Hektar Wald umgebaut und in einen besseren ökologischen Zustand gebracht werden müssten. Das sind 25 Prozent der Gesamtwaldfläche. Dafür müsste die Waldumbaufläche auf über 95.000 Hektar pro Jahr vervierfacht werden, um das zeitgerecht bis zum Jahr 2050 zu schaffen.

Oberbergischer Kreis stark betroffen 

Der Oberbergische Kreis ist mit 39 Prozent überdurchschnittlich waldreich. Die Hälfte der Wälder bestand aus Nadelbäumen, überwiegend Fichte, wovon die über vierzigjährigen Waldbestände nahezu vollständig abgestorben sind. Eine Besonderheit im Landkreis ist der mit 88 Prozent extrem hohe Anteil privater Waldbesitzer mit Kleinparzellen von durchschnittlich zweieinhalb Hektar. Bundesweit ist etwa die Hälfte der Wälder in Privatbesitz. Unabhängig von der Diskussion, ob die Pflanzung von Fichten seinerzeit die richtige Wahl war, geht damit vielen, auch kleineren Waldbesitzern, das „Sparbuch Wald“ verloren.

Zu wenig Forstpersonal

Um die vorgenannten Aufgaben zu bewältigen, fordert der BDF als Forstgewerkschaft bundesweit 10.000 neue Stellen in den Forstverwaltungen und -betrieben. Insbesondere der Kleinprivatwald benötigt professionelle Unterstützung durch Fachleute. „Dem steht aktuell an vielen Stellen ein eklatanter Mangel an Fachpersonal gegenüber. Viele Betriebe und Verwaltungen haben in den vergangenen Jahrzehnten viel Forstpersonal eingespart und dann für den derzeitigen Generationenwechsel nicht rechtzeitig vorgesorgt“, berichtet BDF-Vorsitzender Ulrich Dohle.

 

Hintergrund 2

Die Oberbergische Zielvereinbarung

Wiederbewaldung, Naturschutz, Jagd so ist die Zielvereinbarung überschrieben, die in „vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Waldwirtschaft, des ehrenamtlichen Naturschutzes, der Jägerschaft und des Oberbergischen Kreises“ (Moderation) erarbeitet wurde, wie es im Vorwort heißt. In drei Handlungsfeldern werden Empfehlungen für den Umgang mit

  • Waldbau und Einkommen
  • Biodiversität und Naturschutz
  • Zusammenarbeit von Waldwirtschaft, Naturschutz und Jagd

definiert, auf die sich die Beteiligten verständigen konnten. Diese werden in sieben Leitsätzen ausformuliert, die die Beteiligten gemeinsam vertreten und kommunizieren wollen:

1.    Entwicklung neuer Wälder auf Schadflächen

Die auf den Schadflächen neu entstehenden Wälder sollen stabil und widerstandsfähig sein, um den klimatischen Veränderungen dauerhaft standzuhalten und die verschiedenen Waldfunktionen erfüllen zu können.

2.    Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie

Die Arbeitsgemeinschaft bekennt sich zu einer gleichermaßen ökonomisch wie ökologisch nachhaltigen Bewirtschaftung des oberbergischen Waldes.

3.    Wald als Lebensraum

Der oberbergische Wald ist als Lebensraum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt von großer Bedeutung. Dieser Bedeutung müssen die Maßnahmen zur Wiederbewaldung, Pflege und Bewirtschaftung gerecht werden

4.    Baumartenvielfalt

Die Vielfalt der heimischen, mitteleuropäischen Baumarten ist das Rückgrat der Begründung artenreicher Mischwälder im Klimawandel.

5.    Pflege und Mischwuchsregulierung

Um einen stabilen und baumartenreichen Mischwald heranziehen zu können, ist in den nächsten Jahrzehnten die Beobachtung und Pflege der Bestände durch Mischwuchs- und Standraumregulierung aber auch durch Wildschutzmaßnahmen gegen Verbiss-, Fege- und in späteren Jahren auch Schälschäden, dringend erforderlich.

6.    Jagd und Waldentwicklung

Eine an den Bedürfnissen des Waldes ausgerichtete Jagd auf Schalenwild ist entscheidend für die Entwicklung der zukünftigen Wälder.

7.    Zusammenarbeit

Die großen Herausforderungen der Zukunft mit Blick auf Naturschutz, Waldwirtschaft und Jagd lassen sich nur gemeinsam lösen.

 

Die Waldvereinbarung ist im Internet auf der Seite des Oberbergischen Kreises abrufbar:

https://www.obk.de/waldvereinbarung

Die Vorträge und Präsentationen zweier vorbereitender Waldtagungen im Jahr 2021 finden sich ebenfalls auf der Internetpräsenz des Oberbergischen Kreises: https://www.obk.de/cms200/pbu/ero/kwf/wt/

 

Hier finden Sie die Pressemitteilung als PDF