18. Januar 2024

Paradigmenwechsel

Hochwasser und Dürre als zwei Seiten einer Medaille?

Hochwasser und „Land unter“ lassen aktuell vergessen, dass uns voraussichtlich in einem halben Jahr die Berichterstattung über Waldbrandgefahr und Dürre beschäftigen wird. „Klima- oder Witterungsextreme nehmen zu, das ist Konsens in der Klimaforschung“, so Ulrich Dohle, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute (BDF).

„Wir brauchen dringend die gesetzliche Aufgabenumkehr bei den Wasser- und Bodenverbänden, den Wasserbehörden und allen Landnutzern weg von der Wasserableitung hin zum intelligenten Wassermanagement.“ Für die Erweiterung der Retentionsräume der viel zu oft in ein enges Korsett aus Deichen eingezwängten Bäche und Flüsse sieht der BDF auch die Chance wertvolle Auewälder neu zu begründen. Zum Beispiel im Rahmen des Aktionsprogrammes Natürlicher Klimaschutz der Bundesregierung. Auch das Thema Flächenversiegelung und der dadurch verstärkte Wasserabfluss müsse auf den Tisch, so der BDF. Wer neu versiegelt, könne woanders entsiegeln und auch eine Prämie für Entsiegelungsmaßnahmen sei überlegenswert. „Eigentlich müssten angesichts der Dringlichkeit des Wasserthemas Mittel aus dem Neubau von Straßen umgewidmet werden in ein zukunftsfähiges Wassermanagement in unserer Landschaft.“ so der BDF-Vorsitzende.

In den Wäldern, die immerhin fast ein Drittel der Landesfläche ausmachen und sehr oft die primären Wassereinzugsgebiete der Flüsse darstellen, sieht der BDF ebenfalls viel Verbesserungspotential zur Verbesserung des Wasserspeichers im Wald: „Tiefer gelegte Bäche und Flüsse entwässern den Wald unnötig, das muss sich ändern.“ so Ulrich Dohle. „Für aktive Wasserrückhaltung im Wald benötigt es Geld und Personal. Und für die Erhöhung der Schwammwirkung des Waldbodens bedarf es einer aktiven Waldbodenverbesserung.“ Dazu gehören nach Auffassung des Berufsverbands die konsequente Wiederbewaldung abgestorbener Waldbestände, eine Beschleunigung der Waldentwicklung hin zu naturnahen laubholzreichen Mischbeständen, eine dauerwaldartige Waldbewirtschaftung sowie ein konsequenter Bodenschutz.

Die Bedeutung der Wälder für den Hochwasserschutz sind in einer jüngsten Fachveröffentlichung der Baden-Württembergischen Forstlichen Versuchsanstalt nochmal dargelegt. Durch Intensivierung der Durchwurzelung von Waldböden und durch die aktive Förderung der Bodenlebewesen kann die Wasserhaltefähigkeit der Wälder weiter verbessert werden. Dies weist gerade das Projekt FutureForests im Landkreis Landsberg am Lech nach.

Der BDF begrüßt die Überlegungen von Fachleuten, das Wassermanagement entsprechend den Wassereinzugsgebieten der Flüsse fach- und länderübergreifend zu organisieren. Die öffentlichen Waldbesitzer, Forstverwaltungen und Forstbetriebe sollten hierfür als einen ersten Schritt die Optimierung des Wassermanagement in ihre 10jährigen Forstinventuren mit aufnehmen.


Hintergrundinformationen

Wieder Retentionsräume schaffen

Die historisch erfolgreichen Bemühungen überschüssiges Wasser loszuwerden, waren in Deutschland so erfolgreich, dass über 80 Prozent der Fließgewässer deutlich verändert wurden und durch fast 200tausend Dämme und Bauwerke eingeengt werden. An vielen Flußabschnitten stehen nur noch 10 bis 20 Prozent der ursprünglichen Überschwemmungsgebiete zur Verfügung. (Quelle: Aufbäumen gegen die Dürre, Scheub/Schwarzer)

Auwälder verbessern die Wirkung von Retentionsflächen

„Im überfluteten Auwald sind die Wasserretention und die Stauhöhe erheblich höher als auf unbewaldeten Überflutungsflächen. Das heißt, der Auwald nimmt enorme Wassermengen auf und gibt sie verzögert wieder ab.

Auwälder vermindern nachweislich die Hochwasserspitzen entlang von Bächen und Flüssen und tragen dazu bei, Schäden gering zu halten. Dabei entstehen im Ökosystem Auwald selbst keine nennenswerte Schäden.“  So die bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) im Jahr 2006 - https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/schutzfunktion/hochwasser/guenstiger-hochwasserschutz-mit-wald

Mehr Wälder schaffen

Die bis auf wenigen Relikte verschwundenen Auwälder könnten im Rahmen der Waldvermehrungsstrategie der Bundesregierung (Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz) bei der Erweiterung von Überflutungsflächen gezielt gefördert werden. Dies dient gleichzeitig dem Naturschutz und der Erholung.

Auch außerhalb der Flusstäler macht Waldvermehrung Sinn:

„„Der Wald ist wie ein Schwamm, der überschüssiges Wasser aufnimmt und es langsam nach und nach an seine Umgebung wieder abgibt." Wiesen, Weiden und Kahlflächen haben einen deutlich höheren und schnelleren Oberflächenabfluss als Wald. Aus diesem Grund ist es notwendig, im Einzugsgebiet von Bächen und Flüssen die Waldfläche zu erhalten, besser noch zu vergrößern.“ So die Fachleute der bayerischen LWF in 2006 (s.o.)

Gesetzliche Aufgabenumkehr

Das idealerweise bundesweite vorhandene Netz von Wasser- und Bodenverbänden sowie staatlichen Behörden, welche bislang überwiegend der Wasserabführung verpflichtet ist, muss den gesetzlichen Auftrag zum Wassermanagement bekommen und dafür finanziell ausgestattet werden. Waldbesitzer dürfen nicht länger über Zwangsbeiträge die Entwässerung ihrer Wälder zahlen.

Integriertes Wasserressourcenmanagement (IWRM)

IWRM ist bislang eher aus der Entwicklungszusammenarbeit bekannt und bezieht sich auf die Einbeziehung aller Nutzergruppen in einem Wassereinzugsgebiet. Der Blick auf ganze Flusseinzugsgebiete erfordert bundeslandübergreifende Zusammenarbeit.

Wasserspeicher Wald

Die wasserspeichernde und wasserrückhaltende Funktion von Wald gewinnt an Bedeutung. Vor allem durch

  • aktive Wasserrückhaltemaßnahmen wie Anlage von Mulden,
  • verschließen von Gräben usw. Rücksichtnahme bei der Waldbewirtschaftung und
  • Waldumbau mit deutlich höherem Laubbaumanteil in gemischten Wäldern.

„Die Art und Weise, wie Wälder bewirtschaftet werden, hat Einfluss auf das natürliche Rückhaltevermögen bewaldeter Wassereinzugsgebiete, …“ so die Fachfrau Heike Puhlmann, die das in einem Fachartikel „Waldböden und ihre Wirkung auf den Wasserhaushalt“ sehr gut zusammenfasst. Aus: Wasserwirtschaft 11/2023; http://doi.org/10.1007/s35147-023-1921-4

Lebendiger Waldboden

Einen weiteren Schritt geht das Projekt FutureForests mit dem ehemaligen Försters Ludwig Pertl im Landkreis Landsberg am Lech. Der Waldumbau mit Laubgehölzen erfolgt gezielt mit Blick auf die Bodenlebewesen, vorrangig der Förderung des Regenwurmes wegen seiner äußerst positiven Wirkung für den Waldboden. Eine Steigerung der Regenwurmdichte um 60 Stück pro Quadratmeter Waldboden erhöhte im Projektgebiet die Wasserspeicherkapazität um 100 bis 500 Liter pro Quadratmeter! Diese wichtige Ökosystemleistung honoriert das Projekt den beteiligten Waldbesitzern und verbreitet seine Erfahrungen über ein in Kürze erscheinendes Handbuch. https://www.klimaschutz-landkreis-landsberg.de/eu-life-future-forest/