27. April 2023

Nimmersattes Rehwild

verstärkte Bejagung zum Schutz der neuen Wälder

Je nach Bundesland beginnt zwischen Anfang April und Anfang Mai die Jagdzeit auf männliche Rehe und sogenannte Schmalrehe. Die Jagd auf Ricken, also die Muttertiere, ist zu dieser Jahreszeit selbstverständlich verboten. Die Rehe selbst stellen gerade ihre Nahrung um, von Knospenäsung auf frische Baumtriebe.  „Rehe benötigen nahrhafte, leicht verdauliche Pflanzenteile,“ weiß Ulrich Dohle vom Bund Deutscher Forstleute (BDF). „Das sind im Winter vor allem die Knospen und ab jetzt die frischen Triebe von Bäumen und Sträuchern und anderen Wildpflanzen.“

Da sich Rehe als Kulturfolger in unserer Landschaft gut vermehren, steigt der Fraßdruck auf Sämlinge und Jungbäume in den Wäldern. Der Baumnachwuchs kann dadurch stark beschädigt werden oder ganz verschwinden. Nach Auffassung der Forstgewerkschaft müssen die Jäger gerade jetzt ihrem gesetzlichen Auftrag eines angepassten Wildbestandes nachkommen. „Die Wiederbewaldung der vielen Schadflächen in den Wäldern aber auch die natürliche Entwicklung aller anderen Wälder hängt entscheidend von der Regulierung der pflanzenfressenden Schalenwildarten – also Rehwild, Rotwild und Damwild- ab“, weiß Ulrich Dohle, selbst Jäger und Förster. „Gerade die jetzt notwendigen Mischwälder mit vielen -auch seltenen Baumarten- können nur gedeihen, wenn der Verbiss gering bleibt.“ Der BDF bedauert, dass die in der vorigen Legislaturperiode beabsichtigte Novellierung des Bundesjagdgesetzes nicht zustande gekommen ist. „Umso mehr ist jeder einzelne Jäger und Jagdpächter sowie die Jagdbeiräte in den Landkreisen nun in der Mitverantwortung für das Gelingen des Waldumbaus zu mehr laubholzreichen Mischwäldern und für die vielen Wiederaufforstungen“, so Dohle weiter. „Gerade dort, wo Waldbesitzer ihren Wald nicht selbst bejagen können, weil er zu klein ist, sind Jäger, Jagdgenossenschaften und Jagdbeiräte besonders gefordert, durch intensive Bejagung den Neuaufbau des Waldes zu fördern. Ein gutes Beispiel ist der Oberbergische Kreis, wo sich Forst-, Jagd- und Naturschutzakteure dazu an einen Tisch gesetzt und Lösungsansätze vereinbart haben.“

Ein weiteres Problem sieht der BDF bei den unterschiedlichen Jagd- und Schonzeiten in den Bundesländern. So startet in lediglich vier von 16 Bundesländern die Jagd auf den Rehbock bereits am 1. April und in nur drei Ländern in der Mitte dieses Monats. „Alle anderen Bundesländer lassen die Bejagung des „Hirsches des kleinen Mannes“ erst ab dem Monat Mai zu, wenn die erfolgreiche Jagd durch die immer früher austreibende Vegetation erschwert wird“, gibt der BDF-Bundesvorsitzende zu bedenken. Dabei geht es dem BDF nicht darum, mehr, sondern vor allem klüger zu jagen. Es gilt vermehrt waldfreundliche Jagdkonzepte zu entwickeln und wildbiologische Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören Intervalljagden, die Synchronisation von Jagd- und Schonzeiten sowie revierübergreifende Gemeinschaftsjagden als sinnvolle Instrumente eines naturverträglichen Wild- und Jagdmanagements.

Hintergrund:

Oberbergischer Kreis:

Die Waldvereinbarung ist hier abrufbar: https://www.obk.de/waldvereinbarung

Was frisst das Reh?

Zwei bis vier Kilogramm Grün benötigt ein ausgewachsenes Reh (20 Kg) als tägliche Nahrung. Rehe gehören zu den sog.  „Selektierern“, d.h. sie fressen bevorzugt leichtverdauliche und energiereiche Nahrung. Das sind im Wald vor allem Blätter, Blüten, Baumtriebe und Knospen, aber auch Eicheln und Früchte. (Wikipedia)

Und hier beginnt das Problem. Im Wald, der sich natürlich verjüngt oder in einer Pflanzung, werden die Baumsämlinge bis zu einer Höhe von etwa 120 Zentimetern befressen (Verbiss). Das betrifft im Winter die Knospen und im Frühjahr die jungen Baumtriebe und Blätter. 

Angenommen eine Knospe oder ein frischer Baumtrieb wiegen ein Gramm und ein Reh ernährt sich zur Hälfte davon, dann braucht ein Reh allein täglich ein- bis zweitausend Knospen oder Triebe!

2005 wurden in Nordrhein-Westfalen Rehdichten von 14 bis 24 Tieren pro Quadratkilometer ermittelt. https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/natur/fjw/pdf/niederwild/rehwild.pdf

Bei ein- bis zweijährigen Keimlingen ist der Verbiss oft der Tod der Pflanze, sie verschwindet. Ältere Bäumchen können sich bei starkem Verbiss nicht in die Höhe entwickeln, wenn der nach oben führende Leittrieb abgeknabbert wird. Verschärfend kommt hinzu, dass gerade die für die Waldentwicklung wichtigen Baumarten stärker verbissen werden, als andere. Die Weißtanne wird stark verbissen, die Fichte kaum. Die Buche leidet relativ gering unter Verbiss, aber Eichen schmecken dem Reh so gut, dass sie in jungen Jahren fast überall gezäunt werden. Ein Teufelskreis, dem man in der Kulturlandschaft, in dem sich Rehe sehr wohl fühlen, nur durch verstärkte Bejagung begegnen kann.

Rehe und weiteres Schalenwild

Das Reh ist in ganz Deutschland in den Wäldern und der offenen Landschaft verbreitet. Daneben sind Rot- und Damwild in vielen Gegenden ein weiterer Faktor. Sie haben ähnliche Nahrungsansprüche, das Damwild ist z.B. genügsamer und frisst sogar verholzte Baumtriebe. Dazu kommen bei diesen Wildarten das Schälen der Rinde bestimmter Baumarten und das Fegen und Schlagen von Bäumen mit dem Geweih zum Beispiel in der Brunft. Das Reh fegt nur relativ kleine Bäume, kann aber auch hier sehr wählerisch besonders die schlanken und selteneren Baumarten schädigen. Da Damwild und Rotwild Rudel bildet, kann ihr Auftreten punktuell zu deutlichen Schäden führen.

Schalenwildstrecken weiter zunehmend – Bestand geht nicht zurück

Die Menge macht das Problem. Da vor allem Rehwild nicht wirklich gezählt werden kann, wird die Belastung über Verbissgutachten oder Weisergatter bewertet. Das Weisergatter zeigt im Zaun, was in dem Gebiet ohne Wildverbiss wachsen würde.

Alle Jagdstatistiken zeigen, dass seit dem 2. Weltkrieg stetig zunehmend mehr Wild erlegt wird. Für den Wald reicht das an vielen Stellen nicht, aber es zeigt, dass eine oft befürchtete Ausrottung dieser Wildarten nicht stattfindet – im Gegenteil. Bei effektiver Bejagung müssten die Erlegungsstatistiken beginnen zu stagnieren.

Lt. dem Deutschen Jagdschutzverband stieg die Rehwildstrecke allein in den letzten zehn Jahren um ein gutes Fünftel auf fast 1,3 Mio. Rehe an.

Die Zahl des erlegten Damwildes, welches nicht überall in Deutschland vorkommt, stieg im gleichen Zeitraum um fast vierzig Prozent auf über 68.000 an.

Die Rotwildstrecke stieg im gleichen Zeitraum um dreißig Prozent auf fast 76.000 erlegte Tiere an.

Quelle: https://www.jagdverband.de/zahlen-fakten/jagd-und-wildunfallstatistik/jagdstatistik-fuer-einzelne-wildarten

Wo liegt das aktuelle Problem?

Die Wiederbewaldung von mindestens fünf Prozent der deutschen Waldfläche führt zu einem riesigen Nahrungsangebot von Knospen und Trieben in Fraßhöhe der oben genannten Tierarten. Gleichzeitig wachsen die Versteckmöglichkeiten mit den überall entstehenden Dickungen, die undurchdringlich und kaum einsehbar sind. Die Jagd ist dann äußerst erschwert. Auch für den gewollten Waldumbau mit klimaresilienten Mischbaumarten steigt das Schadensrisiko und die Gefahr der Entmischung, da nicht überall aufwändig eingezäunt werden kann.

Der gesetzliche Auftrag der Jäger

„In Deutschland jagen, heißt Verantwortung für das Wild und seine Lebensräume zu übernehmen. Das Bundesjagdgesetz legt diese Verantwortung in die Hände der Jägerinnen und Jäger sowie der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer.

Sie haben die Pflicht und die Fähigkeit, das Wild zu hegen, die Artenvielfalt seiner Lebensräume zu bewahren und den Wildbestand so zu regulieren, dass Wildschäden möglichst vermieden werden.“

Quelle: https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/jagd/aenderung-jagdrechtliche-vorschriften.html

Warum behindern Rehe ausgerechnet die Entwicklung von Mischwäldern.

Gerade seltene Baum- und Pflanzenarten werden vom Rehwild bevorzugt gefressen. Daher werden sie zum Teil gar nicht erst gepflanzt oder müssen aufwändig geschützt werden. Wenn sie sich natürlich aussamen, verschwinden sie oft schon im Keimlingsstadium. Leckerbissen für Rehe sind Knospen und Triebe von Eichen, Tannen und von seltenen Edellaubbäumen wie Elsbeere, Speierling, Wildapfel aber auch Linden und weiteren Arten. Nach Erfahrung vieler Förster und Försterinnen werden die in nur manchen Gebieten selten vorkommenden Baumarten besonders gern verbissen.

Warum auch Luchs und Wolf nur bedingt helfen

Eine Veröffentlichung aus der Schweiz fasst gut zusammen, dass mehr Wölfe und Luchse nicht automatisch weniger Wildschäden durch Verbiss bedeuten. „Die Gleichung „Wolf=weniger Wild= weniger Verbiss“ trifft nicht zu“, so die Schweizer. Zum Teil können Verbiss-Schäden sogar zunehmen, wenn sich Reh und Hirsch vor dem Wolf in den Wald zurückziehen und dort vermehrt ihre Nahrung aufnehmen.

https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/wald-und-wild/wildoekologie/wolf-und-waldverjuengung

Pressemitteilung