01. Juli 2022

Waldpädagogik - entspannt Lernen im Wald

Vor und in den Sommerferien ist Waldzeit

Vor den Sommerferien ist in den jeweiligen Bundesländern im Wald „der Bär“ los. Ungezählte Schulklassen machen sich auf den Weg, um Zeit im Wald zu verbringen und gleichzeitig das Ende der Schulperiode einzuläuten.

„Neben den klassischen Schulwandertagen hat sich das Angebot für Aktivitäten und Lernen im Wald enorm ausgeweitet“, weiß Ulrich Dohle, Bundesvorsitzender des Bund Deutscher Forstleute (BDF). „Allein die öffentlichen Forstbetriebe und -Verwaltungen haben eine große Bandbreite waldpädagogischer Aktivitäten im Angebot, die auch über mehrere Tage gehen können.“  So herrscht in den Wochen vor den Ferien in den Waldheimen, Walderlebniszentren und vielen Revierförstereien Hochbetrieb. Mit dem Ferienbeginn ist die Arbeit der WaldpädagogInnen allerdings noch nicht getan. Viele Einrichtungen bieten dann ein- und mehrtägige Ferienprogramme im Wald an, oft in Zusammenarbeit mit den Kommunen.

Die Veranstaltungszahlen erreichen wieder das Niveau von vor den Corona-Beschränkungen. „Wir begrüßen die hohe Nachfrage, denn Lernen in der Natur, sich Bewegen und etwas in und über die Wälder zu erfahren, ist eine unverzichtbare Erfahrung für unseren Nachwuchs“, so Dohle. Besonders sinnvoll sind aus Sicht des Berufsverbandes regelmäßige Waldbesuche über die ganze Schulzeit und die öffentliche Unterstützung bei der Fahrt bis zum nächsten Wald. „Hier sollten sich die Verantwortlichen ein Beispiel an der Sparkassenstiftung Ostholstein in Schleswig-Holstein nehmen.“ Die Stiftung finanziert die Walderlebniseinrichtung „Erlebnis Bungsberg“ in dem waldarmen Flächenland. Die Teilnahme nebst Mittagessen ist kostenlos, eigene Busse ermöglichen die unkomplizierte Anfahrt.  „Das Interesse am Thema Wald ist ungebrochen hoch, auch bei den Schulen“, konstatiert Ulrich Dohle. „Die Vorteile des Lernens im Wald beschränken sich dabei nicht nur auf den Wald als Lernobjekt und das Ausleben von Bewegungs- und Spieltrieb. Auch anderer Unterricht kann im „Klassenzimmer Wald“ erfolgreich umgesetzt werden.“ Mindestens einmal im Schuljahr sollten Schüler und Schülerinnen sich mit dem Thema Wald auseinandersetzen, fordert der BDF. „Und für Kindergärten ist ein Waldtag pro Woche – dort wo möglich- eine tolle Abwechslung“, so Dohle.

Vier Beispiele

Der Förderverein Waldforum Riddagshausen e.V. in Braunschweig bietet in Kooperation mit den Niedersächsischen Landesforsten ein umfangreiches Programm in den Braunschweiger Wäldern an. Vom Kindergeburtstag über die Waldführung mit einem/r der Zertifizierten WaldpädagogInnen bis hin zu mehrtägigen Projekten wie dem Waldführerschein oder Wald-Arbeitsgruppen an Grundschulen. „Wir haben in diesem Jahr bis zu den Ferien wieder eine sehr hohe Nachfrage, die mindestens auf dem Niveau vor den Corona-Einschränkungen liegt“, erläutert die Vereins-Vorsitzende Stefanie Bucher-Pekrun. „Auch die Angebote in den Ferien, wie die Waldwochen mit neun verschiedenen Themenschwerpunkten (z. B. Expedition Natur, Relaxen mit den Dachsen, Wolfswald, Wald@Klimascouts“) werden wieder sehr gut nachgefragt. Das Gleiche gilt für die Walderlebnistage und unsere Waldforum-Juniortage zu verschiedenen Themen, so dass wir auch hier unser Angebot erweitert haben.“ In den Zeiten vor Corona erreichte der Förderverein mit seinen Partnerorganisationen etwa 20.000 Personen jährlich.

 

Erlebnis Bungsberg/Schleswig-Holstein

Im „Erlebnis Bungsberg“ engagiert sich die Sparkassenstiftung Ostholstein gemeinsam mit den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Den Kindertagesstätten und Grundschulklassen im Landkreis soll mindestens einmal im Jahr ein kostenloser Walderlebnisaufenthalt ermöglicht werden. „Vorbildlich ist, dass die Stiftung Busse bereithält, die den kostenlosen Transport der Kinder zum Erlebnis Bungsberg ermöglichen und auch ein Mittagessen bereitstellt“, so Laura Reimers, Landesvorsitzende des BDF in Schleswig-Holstein. „Es ist ein großer Gewinn für die Entwicklung der Kinder durch die wiederkehrende Teilnahme die Natur im jährlichen Wandel erleben zu können. Neue Erfahrungen werden ermöglicht und alte werden vertieft. Unser gemeinsames Anliegen ist es, den Kindern den Impuls zu geben, dass unsere Natur lebenswichtig und damit schützenswert ist.“ 

 

Waldhaus Mannheim, ForstBW in Kooperation mit Stadt Mannheim und SDW, Baden-Württemberg

„Die Bedeutung der Waldpädagogik hat in den letzten Jahren stark zugenommen“, ist sich Daniel Weissgärber sicher, der seit über 17 Jahren das Waldhaus Mannheim mit Angeboten für Kindergärten bis hin zu weiterführenden Schulen und auch Lehrerfortbildungen betreut. „Die Nachfrage hat mindestens das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht und jetzt vor den Ferien sind verständlicherweise die erlebnisorientieren Angebote besonders gefragt.“ Mit zweieinhalb Waldpädagogen, eine halbe Stelle ist derzeit unbesetzt, kann das Waldhaus die Nachfrage für Bildungs- und Erlebnisangebote im Wald nicht ganz bedienen. „Mit knapp 300 Veranstaltungen werden wir in diesem Jahr 5-6.000 Personen erreichen, ganz überwiegend Kinder und Jugendliche“, schätzt der gelernte Förster Weissgärber, der möglichst vielen Stadtkindern den Bezug zur Natur ermöglichen möchte. Dabei sind die halbtägigen Arbeitseinsätze im nahen Käfertaler Wald ein wichtiger Bestandteil. „Die Jugendlichen können sich im Gegensatz zum Schulunterricht körperlich betätigen und ihre praktischen Fähigkeiten unter Beweis stellen“ so Weissgärber, der deshalb auch verstärkt Outdoortechniken, wie Bogenbau und Schnitzen anbietet.

 

Walderlebnis „Ivenacker Eichen“ bei Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpommern

Auch im Nationalen Naturmonument Ivenacker Eichen, dem Waldgebiet des Jahres 2020/21, haben in den Monaten Mai und Juni wieder vermehrt Schulklassen und Kindergartengruppen die kostenlosen waldpädagogischen Angebote genutzt und an den „Waldolympiaden“ teilgenommen. „In den Schulferien sind wir dafür umso mehr mit Familien und Erwachsenengruppen unterwegs“, weiß Helen Andrews, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Forstamt Stavenhagen und selbst Waldpädagogin. „Wir haben unser Team aufgestockt und weiten die waldpädagogischen Angebote nach und nach in die anderen Wälder im Forstamtsbereich aus, um Schulklassen und Kindergartengruppen ortsnahe Walderlebnisse zu ermöglichen.“

Hintergrund:

Themenposter zur Waldpädagogik

Die Geschichte der Waldpädagogik

Schon früh haben engagierte Förster Möglichkeiten für Schulklassen geschaffen, den Wald kennenzulernen und auch im Walde zu arbeiten. Nach dem 2. Weltkrieg entstand angesichts des immensen Wiederaufforstungsbedarfes die Idee, Jugendwaldheime einzurichten. Von dort konnten Schulklassen bei der Aufforstung und Pflege der Wälder über zweiwöchige Aufenthalte mithelfen. Das erste Heim dieser Art entstand 1948 in Zorge im Harz. Die Idee der Jugendwaldheime bewährt sich in vielen Bundesländern bis heute.

Wald- und Naturführungen wurden nach dem Krieg von vielen Förstern (Försterinnen gab es erst später) mit örtlichen Schulen und Gruppen durchgeführt. Die über Jahrzehnte beliebten Waldjugendspiele wurden erstmals 1970 vom bayerischen Forstamtsleiter Hans-Heinrich Vangerow bei Nürnberg erfolgreich ausprobiert und verbreiteten sich über ganz (West)Deutschland.

Mit dem Aufkommen der Umweltbildung entstanden auch die Schwerpunkte der natur- und waldpädagogischen Arbeit ab den 1980er Jahren. Als Pionierin der Waldpädagogik gilt Ute Reifferscheidt, die 1980 beim Forstamt in Aachen mit dem Begriff Walderziehung de Tätigkeit des Waldpädagogen kreiert hat. 1985 änderte sie Walderziehung in Waldpädagogik. (Quelle Wikipedia). 2007 erarbeiteten und beschlossen die Forstverwaltungen der Länder ein „Zertifikat Waldpädagogik“, welches seitdem Ausbildungsstandard für alle Waldpädagogen und Waldpädagoginnen ist.

1994 gab die bayerische Forstverwaltung einen wegweisenden „Waldpädagogischen Leitfaden“ heraus, der mittlerweile zum achten Mal aktualisiert und in neun Sprachen übersetzt, weltweit im Einsatz ist.

Der Bund Deutscher Forstleute vernetzt seit 2003 in seinem Arbeitskreis Waldpädagogik interessierte Waldpädagogen und Waldpädagoginnen über seinen Mitgliederkreis hinaus.

Ab 2014 beeinflusste das Weltaktionsprogramm der UNESCO die bundesdeutsche Bildungsarbeit. Dazu wurden Standards für „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) definiert.

BNE befähigt Lernende, informierte Entscheidungen zu treffen und verantwortungsbewusst zum Schutz der Umwelt, für eine bestandsfähige Wirtschaft und einer gerechten Gesellschaft für aktuelle und zukünftige Generationen zu handeln und dabei die kulturelle Vielfalt zu respektieren « (UNESCO 2014)

Seitdem ist BNE auch Bestandteil des Waldpädagogikzertifikats und Arbeitsgrundlage für viele der Angebote in der Waldpädagogik. Viele waldpädagogische Einrichtungen lassen sich als „außerschulischer Lernort“ nach BNE anerkennen.

Neben den Forstbetrieben und Forstverwaltungen in den einzelnen Bundesländern gibt es vielfältige private und gemeinnützige Anbieter. Hinzu kommen Umweltbildungseinrichtungen, National- und Naturparke sowie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), die von der örtlichen bis zur Bundesebene vielfältig und mit Partnern aktiv ist.

Zunehmend thematisiert die Waldpädagogik auch den Klimawandel, wie zum Beispiel die SDW mit ihrem Programmangebot „Klimakönner“.
 

Waldpädagogische Einrichtungen der Länder-Forstverwaltungen und -Forstbetriebe in Deutschland

Jugendwaldheime* /Walderlebniseinrichtungen

Bayern 3 / 11

Baden-Württemberg 4 / 8

Rheinland-Pfalz 2 / 2

Nordrhein-Westfalen 5 / 10

Hessen 4 / 3

Thüringen 3 / 0

Sachsen 3 / 7

Brandenburg 1 / 20

Berlin 0 / 8

Mecklenburg-Vorpommern 2 / 6

Sachsen-Anhalt  5 / 1

Niedersachsen 10 / 8

Schleswig-Holstein 2 / 2

Total 44 / 86