Vor rund einhundert geladenen Gästen übergab der Bund Deutscher Forstleute (BDF) am 5. April die Auszeichnung des Wiesbadener Stadtwaldes als ‚Waldgebiet des Jahres‘. Dazu wurden alle Mitarbeiter des Stadtwaldes auf die Bühne gebeten, denn „wir würdigen nicht nur den Wald selbst, sondern die Gestaltungskraft und das Engagement der Wiesbadener Forstleute für ihren Wald“, so BDF-Bundesvorsitzender Dirk Schäfer und die Landesvorsitzende Rebekka Janson. In seinem Grußwort hatte bereits Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende betont, wie stolz er auf den Wiesbadener Stadtwald und die nun erfolgte Auszeichnung sei und dabei ausdrücklich die im Wald Tätigen gelobt. „Ohne Ihre Arbeit wäre dieses Ergebnis nicht da“.
Mende betonte die Bedeutung, Wald und Mensch zusammenzubringen und die unvermeidbaren Nutzungskonflikte gemeinsam auszuhandeln. Bürgermeisterin Christiane Hinninger blickte als zuständige Fachdezernentin zufrieden auf 25 Jahre Waldzertifizierung nach Naturland-Standard zurück. Die Stadtforst Wiesbaden habe als eine der ersten bereits 1987 ein ökologisch ausgerichtetes Waldkonzept entwickelt, dessen Ergebnisse sich heute sehen lassen könnten, durch hohe Artenvielfalt und steigende Widerstandsfähigkeit der Wälder, auch wenn die alten Buchenwälder Probleme bereiteten. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm zum Kennenlernen des Stadtwaldes sei in Vorbereitung.
Prof. Dr. Martin Dubbel von der HAWK* Göttingen stellte ein gemeinsam mit der Stadtforst unter Leitung von Sabine Rippelbeck erarbeitetes, sozial-ökologisches Waldkonzept für einen klimaresilienten Stadtwald vor. Zu einem urbanen Dauerwald, der sich an der Naturwaldforschung orientiert, gehörten dabei mit Blick auf eine unbekannte Klimazukunft neben den relativ wenigen heimischen Baumarten auch bewährte nichtheimische Baumarten.
Dr. Tina Baumann, Leiterin des benachbarten Frankfurter Stadtwaldes schilderte die Herausforderungen an die Wälder in Ballungsräumen. So sei der Wald eine „Klimamaschine“ für die Städte, dafür seien Mischwälder ihr angestrebtes Ziel. Gleichzeitig betonte sie die Herausforderungen: Die Verkehrssicherung sei durch die zunehmenden Absterbeerscheinungen zur aufwändigen Daueraufgabe geworden, das Müllproblem werde immer schlimmer, das illegale Mountainbiken durch die Wälder nehme nicht ab und die Waldbrandgefahr steige mit der Klimaerwärmung. Waldflächenverluste ließen sich mangels Fläche nicht ortsnah ausgleichen. Positiv würdigte Försterin Baumann die Bedeutung der Erholungseinrichtungen, der Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit, die Aufgaben für den Arten- und Biotopschutz, sowie die Entwicklung einer Waldstrategie, in deren Rahmen auch das Thema Wasser erläutert wird. Etwa vierzig Mulden zur vermehrten Wasserrückhaltung wurden bereits im Frankfurter Stadtwald geschaffen.
In einer abschließenden Diskussionsrunde wurden besonders Fragen zu den nichtheimischen Baumarten und zum neuen Wiesbadener Jagdkonzept diskutiert.
*Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fakultät Ressourcenmanagemen
Hintergrund:
Die Stadt Wiesbaden zählt mit ihren rund 4.300 Hektar Wald (43 km²) zu den großen kommunalen Waldbesitzern in Deutschland. Das im Taunus gelegene Grüne Band des Stadtwaldes schmiegt sich halbkreisförmig um den nördlichen Rand der Stadt Wiesbaden.
Gut erreichbar
Durch die gute Erreichbarkeit gibt es eine intensive Erholungs-, Sport- und Freizeitnutzung durch die Bevölkerung mit einer entsprechenden Erschließung der Waldgebiete.
Bach- und Wiesentäler
Der Stadtwald mit über 80 Prozent Buchen und Eichen wird ergänzt durch Wiesentäler, die nicht nur landschaftlich reizvoll sind, sondern als Frischluftschneisen die Stadtluft verbessern.
Trinkwasser unter dem Wald
Vier Trinkwasserstollen wurden vor über 100 Jahren unter dem Stadtwald angelegt und so liefert bis heute der darüber gelegene Wald fast ein Drittel des Trinkwassers für Wiesbaden.
Biodiversität und Artenvielfalt
Natur- und Artenschutz werden im Stadtwald, der zur Hälfte als EU-Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet ausgewiesen ist, großgeschrieben. Für die Waldbehandlung gibt es eine eigene Naturschutzstrategie. Ein Eiben-Projekt fördert die seltene Nadelbaumart. Sogenannte „Historisch alte Wälder“ mit einem hohen Anteil von überdurchschnittlich altem Buchenwald sind im Fokus ebenso der Erhalt seltener Arten, wie Grünes Besenmoos, Bechsteinfledermaus, Hirschkäfer, Wildkatze und Äskulapnatter. Alle sechs heimischen Spechtarten kommen vor.
Waldschäden
Durch die Schäden der letzten Trocken- und Käferjahre ist die Fichte im Stadtwald ausgefallen, auch Kiefern und alte Laubbäume sind geschädigt. Überall im Wald entstehen kleine Gruppen von klimatoleranteren Baumarten wie Elsbeere, Speierling und Wildapfel, aber auch Wildkirsche, Weißtanne, Eibe und Esskastanie. Viele Baumarten verjüngen sich auch auf natürliche Weise Naturverjüngung) und werden gezielt gefördert. So entstehen artenreiche Mischwälder, die eine gewisse Sicherheit für die Zukunft bedeuten.
Holznutzung
Um Dauerwaldartige Strukturen zu fördern, gelten die ANW-Grundsätze* im Wiesbadener Stadtwald „Früh-Mäßig-Oft“. Diese Grundätze sind bereits seit Mitte der 1980 Jahre durch die Waldbau-Richtlinien für den Wiesbadener Stadtwald verankert. Durch diese Zielsetzungen und einem naturgemäßen und achtsamen Waldbau konnte die FSC und NATURLAND-Zertifizierung 1999 ohne größere Änderung der Bewirtschaftung eingeführt werden.
*ANW = Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft
Jagdnutzung
Zur Förderung der natürlichen Verjüngung möglichst vieler Baum- und Pflanzenarten wird im Stadtwald zielgerichtet die Jagd ausgeübt. Ein neues Jagdkonzept wurde in 2024 vom Magistrat verabschiedet.
Nutzung als Bestattungswald
Ein eigener Bestattungswald auf mittlerweile 25 Hektar ermöglicht die naturnahe Urnenbestattung. Dabei entsteht eine besondere Waldform, da die Holznutzung hier unterbleibt.
Qualitätssiegel
Seit 1987 wird der Stadtwald nach den Grundsätzen naturgemäßer Waldwirtschaft der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) bewirtschaftet. 1998 erfolgte die Ausweisung als Schutz- und Bannwald nach dem Hess. Waldgesetz. 1999 erfolgte die Zertifizierung durch die Siegel von FSC und Naturland.
Walderleben 1
Die umfangreiche Erschließung mit Waldwegen ermöglicht vielfache Freizeit- und Sportaktivitäten. Neben alten Laubwäldern werten im Wald angelegte Alleen die Waldlandschaft ästhetisch auf, ebenso wie sog. „Baumpersönlichkeiten“, das sind markante, bis zu 500 Jahre alte Baumriesen,
Walderleben 2
Ein „Hörwald“ bietet an 16 Stationen Informationen zum digitalen Anhören. Eine geschichtsträchtige Höhle (Leichtweiß-Höhle) kann mit Erläuterung kostenlos zweimal die Woche erlebt werden. Von der intensiven Walderschließung für Besucher zeugen unter anderem die 27 Schutzhütten im Wald.
Walderleben 3
Das Stadtforstamt Wiesbaden bietet waldpädagogische Führungen an, um Wissen rund um den Wald zu vermitteln und Verständnis für die naturnahe Nutzung von Wäldern zu schaffen.
Personal
Neben dem bestehenden Personalstamm von dreißig Personen blickt die Stadtverwaltung auch auf die Nachwuchsgewinnung für die Forstabteilung durch Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für den Forstwirtberuf und durch Praktikantenstellen zur Berufsorientierung.
Herausforderung intensive Erholungsnutzung
Wegen der intensiven Freizeitnutzung ergeben sich besondere Probleme mit Müll in der Landschaft und durch Mountainbiker in den Waldbeständen.
Herausforderung invasive Arten
Probleme bereitet die Ausbreitung des Waschbärs. Ebenso gefährden in den Bächen zwei invasive Krebsarten die natürlichen Populationen von Edel- und Steinkrebs.