Bei einem Festakt des Bund Deutscher Forstleute (BDF) nahmen jetzt die Mitarbeiter des Forstamtes Stavenhagen die Auszeichnung der Ivenacker Eichen als Waldgebiet des Jahres entgegen. Der Ivenacker Wald ist ein altes Weidewald-Gebiet mit Uralteichen, wo die historische Waldweide mit verschiedenen Tierarten wieder auflebt. Die mächtigen Eichen werden erhalten und der Öffentlichkeit schonend zugänglich gemacht. „Nach dem Internationalen Jahr der Wälder 2011 haben wir zur Verstetigung der Aufmerksamkeit auf das Thema Wald begonnen, die Waldgebiete des Jahres auszuweisen“, so Bundesgeschäftsführerin Ines von Keller. „Der Erfolg gibt uns Recht, aber viel wichtiger ist die deutlich gestiegene Nachfrage und Anerkennung dessen, was unsere Wälder alles können.“
Gut 100 Teilnehmer verfolgten auf der Veranstaltung die Beiträge der politischen Vertreter und zwei Diskussionsrunden zum Hutewald und zur Zukunft des Ivenacker Waldes mit seinen bis über 1.000jährigen Eichen. Gewürdigt wurde auch die langjährige Zusammenarbeit von zwei Schulen und einer Kindertagesstätte sowie Waldpädagoge Jörg Hellwig, der die Umweltbildung in Ivenack seit zwanzig Jahren mit viel persönlichem Einsatz prägt.
„Als Berufsverband würdigen wir mit der Auszeichnung besonders die Leistung des örtlichen Forstpersonals“, so Bundesvorsitzender Ulrich Dohle. „Oft wird vergessen, wieviel Arbeit und Herzblut in der Betreuung unserer Wälder steckt. Für den Wald, den sich unsere Gesellschaft für die Zukunft wünscht, werden wir nicht ohne eine genügende Anzahl, gut ausgebildeter und motivierter Fachleute für den Wald auskommen.“
Bereits am Vormittag unterzeichnete Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus die „Ivenacker Erklärung“. Danach soll der Landeswald in Vorbildfunktion für andere Waldbesitzarten künftig als Dauerwald bewirtschaftet werden. Der Wald soll nach ökologischen Kriterien noch vielfältiger, gemischter und standortsbezogen auch kleinflächiger gestaltet werden. Diese Entscheidung bezeichnete Dr. Lebrecht Jeschke, einer der Väter des Nationalparkprogrammes in Mecklenburg-Vorpommern, am Nachmittag als eine Sensation.
Der Stavenhagener Bürgermeister Stefan Guzu, Vize-Landrat Kai Seiferth und MdL Elisabeth Aßmann als Vorsitzende des Agrarausschusses wiesen mit unterschiedlichen Worten auf die Bedeutung und die gestiegene Nutzung des Waldes durch die Bevölkerung hin. Der Wald habe neue Fans bekommen, die in der Corona-Zeit, statt in den Flieger zu steigen, ihre Auszeit im nahen Wald nahmen. Hier sei an sogenannten Hot-Spots auch eine Lenkung zu überlegen.
Für das Landwirtschaftsministerium sind die Ivenacker Eichen laut Impulsvortrag von Staatssekretär Dr. Jürgen Buchwald ein Schatz für das Land Mecklenburg-Vorpommern, der seit Wiedereinrichtung des Tiergartens 1974 kontinuierlich gehoben wurde. „In den letzten 50 Jahren wurde viel erreicht“, stellte Buchwald fest. „Ohne den Einsatz zahlreicher Forstleute hätten sich die Ivenacker Eichen nicht so entwickelt.“ Die Entwicklung gehe weiter. Mit der Sanierung des Schlosses, dem Umzug des Forstamtes in den Marstall sei künftig auch der frühere Landschaftspark wieder besser erkennbar. „Das alles dient dann nicht nur, wie früher, den Mächtigen und Reichen, sondern ist zugänglich für alle Bügerinnen und Bürger.“
Für seinen langjährigen Einsatz in der Öffentlichkeitsarbeit und Waldpädagogik wurde Forstwirtschaftsmeister Jörg Hellwig durch Ralf Hecker vom Forstamt Stavenhagen mit einem Präsent ausgezeichnet. „Jörg Hellwigs unverwechselbare Art begeistert die Besucher, er ist offen für neue Ideen, zuverlässig und dabei stets gut gelaunt“, so Ralf Hecker. Seit fast zwanzig Jahren engagiert sich Hellwig, der die Qualifikation zum zertifizierten Waldpädagogen erworben hat, im Ivenacker Tiergarten.
Die Waldpädagogik-Partner der „ersten Stunde“, die regelmäßig die Angebote unter den Ivenacker Eichen wahrnehmen, wurden vom Bund Deutscher Forstleute mit einem Bücherpaket bedacht. „Waldwissen direkt im Grünen zu vermitteln, ist uns ein wichtiges Anliegen“, so Peter Rabe, Landesvorsitzender des BDF. Ausgezeichnet wurden auf diese Weise die ASB-Kindertagesstätte und die Regionale Schule aus Tützpatz und die Gesamtschule Stavenhagen. Deren Leiter Lutz Trautmann ist es ein Anliegen, das Staunen über die Ivenacker Eichen, neben dem Wissen über Bäume und Tiere, in den Schülerinnen und Schülern zu wecken.
In zwei Gesprächskreisen diskutierten Fachteilnehmer die Themen Hutewald und Visionen für Ivenack. Einen Rückblick auf die Entwicklung nahmen Dr. Lebrecht Jeschke, ehemaliger Leiter des Nationalparkamtes und Fritz Rüchel, ehemaliger Oberförster von Stavenhagen. Das heutige Interesse an den Ivenacker Eichen haben man früher nicht erahnt. Eine Steigerung der Besucherzahlen dieses historischen Denkmals, welches in Deutschland keine Parallele habe, sei nicht unbegrenzt möglich. Martin Rosch vom Jagdverband Demmin hält die Ausweitung von Waldweide nicht für sinnvoll, ist aber für die Demonstration dieser historischen Waldnutzung an Beispielen wie in Ivenack. Brisanter wurde es in der Gesprächsrunde zu den Visionen für Ivenack. Ivenacks Bürgermeister Roy Lüth stellte verschiedene Ideen für die Zukunft vor, wichtig für ihn zunächst die Anerkennung als „Tourismusort“ um über eine dann mögliche Kurabgabe der Besucher Mittel zu bekommen um die touristische Infrastruktur zu verbessern. Mike Hartmann von der Naturschutzbehörde wies darauf hin, dass man gemeinsam mit dem Forstamt einen Bereich mit 200-400jährigen Eichen ausgesucht habe, der als Hutewald der Zukunft entwickelt werden solle. Forstamtsleiter Ralf Hecker betonte, dass sich die Landesforsten als Hüter der Ivenacker Eichen verstehen, wobei die Infrastruktur bei den jetzigen Besucherzahlen „ausgereizt“ sei. Auch im Ivenacker Wald seien 100jährige Eichen ausgewiesen worden, die als Hutewald-Anwärter entwickelt werden sollen, damit auch in ferner Zukunft hier weiterhin mächtige Eichen stehe werden.
Zum Schluss der Veranstaltung überreichte BDF-Bundesvorsitzender Ulrich Dohle die Auszeichnung zum Waldgebiet des Jahres an die anwesenden Mitarbeiter des Forstamtes Stavenhagen. „Die Ivenacker Eichen mit ihrer 1.000jährigen Geschichte zeigen in die Zukunft und sie sind eine Arche Noah der Artenvielfalt. Dieses zu erhalten und zu entwickeln war und ist nur möglich durch das Wirken der Mitarbeiter des Forstamtes Stavenhagen.“
Eigens angereist waren Vertreter des Regionalforstamtes Ruhrgebiet, die die Wanderplakette vom vorigen Waldgebiet des Jahres „Urbane Wälder Rhein/Ruhr“ nun an das Forstamt Stavenhagen weitergaben.
Hintergrund:
Das Waldgebiet des Jahres wird seit 2012 vom Bund Deutscher Forstleute ausgerufen. 2012 wurden der Meulenwald an der Mosel, 2013 der südniedersächsische Solling und 2014 der Schönbuch bei Tübingen ausgezeichnet. Es folgten 2015 der Berliner Grunewald, dann 2016 der Usedomer Küstenwald. 2017 wurde der Frankenwald in Oberfranken und 2018 der Wermsdorfer Wald zwischen Dresden und Leipzig als Waldgebiet des Jahres ausgerufen. Nach den Urbanen Wäldern Rhein/Ruhr im bevölkerungsreichen Ruhrgebiet im Jahr 2019 folgten 2020 die Ivenacker Eichen. Wegen der Corona-Einschränkungen entschloss sich der BDF die Auszeichnung auch für 2021 aufrecht zu erhalten. Damit erhielt zum zweiten Mal ein Wald in Mecklenburg-Vorpommern diese Auszeichnung des Bund Deutscher Forstleute.
Weitere Informationen unter https://www.bdf-online.de/waldgebiet-des-jahres/2020-2021/
Dauerwald
Die Idee des Dauerwaldes wurde vom Forstwissenschaftler Alfred Möller (1860-1922) nach dreijährigen Forschungsaufenthalten im Amazonasurwald entwickelt und vor 100 Jahren in Eberswalde, wo er Professor an der Forstakademie war, vorgestellt. Seinem Ansatz, den Wald als ganzheitlichen Organismus zu betrachten stand der damals üblichen „schlagweisen Altersklassenwald“ diametral gegenüber.
Heute steht der Dauerwald als Modell für eine ganzheitliche Waldbewirtschaftung, die dem natürlichen Waldökosystemen nahekommt und gleichzeitig die gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald besonders gut erfüllen kann. Dauerwald ist ungleichaltrig, strukturreich, kahlschlagfrei und dauernd mit Bäumen bestanden.