Vom Jagdgatter zum Erlebniswald

Die urigen Ivenacker Eichen haben über Generationen hinweg unzählige Besucher in ihren Bann gezogen und verkörpern in besonderer Weise die Waldnutzungsform der Waldweide. Diese Wirtschaftsweise hat über mehrere Jahrhunderte hinweg den Wald mit starken masttragenden Eichen und Buchen geprägt, aber auch maßgeblich zu seiner Zerstörung beigetragen. Mit der Einführung der nachhaltigen Forstwirtschaft vor nunmehr 300 Jahren wurden die traditionellen Weiderechte nach und nach abgelöst. Der Wald änderte sein Gesicht. Von einer lichten Struktur mit großkronigen Einzelbäumen hin zu geschlossenen Beständen mit hohen Vorräten und brauchbarem Nutzholz.

Nicht so jedoch in Ivenack. Dort hatte die Einrichtung eines Wildgatters im 18. Jahrhundert großen Anteil an dem  Erhalt des alten Hudewaldes. Das zu Jagdzwecken gehaltene Damwild im „Thiergarten“ sicherte durch den Verbiss konkurrierender Baumarten den Fortbestand der alten Eichen. Auf einer 200 ha großen Fläche sollen zeitweilig bis zu 800 Stück Damwild gehalten worden sein [1].

Mit Verfall der Wildgatteranlage in Folge der Weltwirtschaftskrise im letzten Jahrhundert veränderten sich die Rahmenbedingungen zunehmend zum Nachteil der alten Hudeeichen. So beschreibt der Landschaftsarchitekt O. FESTERSEN 1973 einen entmutigenden Zustand der Ivenacker Eichen [2]. Die alten Eichen waren nahezu völlig durch Buchen eingewachsen, harmonische Blickbeziehungen und Wiesenflächen verschwunden, die Wurzelbereiche wurden von schweren Fahrzeugen befahren, Touristen schnitten Eichenborke als Souvenir von den Bäumen ab, der barocke Pavillon war vom baulichen Verfall bedroht.

Eine Gegenentwicklung wurde 1974 mit der Wiedererrichtung der Gatteranlage eingeleitet. Das Gatter mit einer Größe von 70 Hektar wurde mit etwa 60 Stück Damwild aus dem örtlichen Wildbestand besetzt.  

Dank der Unterstützung durch die Jost-Reinhold Stiftung und den Möglichkeiten der Förderung durch den Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) konnten insbesondere im vergangenen Jahrzehnt bedeutende Projekte umgesetzt werden.

Im Projektschwerpunkt „Kulturhistorische Waldnutzungsform Hudewald“ wurden die Schutz- und Pflegemaßnahmen auf Eichen aller Altersklassen ausgedehnt. Mit der „Schutzwaldverordnung Ivenacker Hudewald“ vom 08. Februar 2010 wurde diese Zielstellung forstrechtlich gesichert [3]. Für eine professionelle weitere Umsetzung steht seit dem Jahr 2012 ein Baumkataster zur Verfügung. Im Jahr 2008 konnte durch ein Flächentauschverfahren die gesamte Waldfläche des Ivenacker Tiergartens, wie er vor 1929 bestanden hat, in das Eigentum der Landesforst übertragen werden. Im gleichen Zeitraum fertigte HANS [4] mit der Diplomarbeit „Schweinehut und Waldmast – Rückkehr einer kulturhistorischen Waldnutzung“ eine wichtige konzeptionelle Grundlage für die Errichtung neuer Gatteranlagen im Jahr 2010 und 2011.

Die Ivenacker Eichen werden vielfach als eine Wiege des Naturschutzes in Mecklenburg betrachtet. Namhafte Autoren und Wissenschaftler haben sich in zahlreichen Veröffentlichungen und Untersuchungen diesem einzigartigen Gebiet gewidmet. So ist es naheliegend, dass der Ivenacker Tiergarten als FFH-Gebiet (DE 2243-302) ausgewiesen wurde.

Monitoringmaßnahmen wie das Gutachten „Bestandsaufnahme und Bewertung der Käferfauna im Hutewaldökosystem Ivenacker Tiergarten“ von GÜRLICH [5] aus dem Jahr 2011 belegen das Engagement im Schwerpunkt „Naturschutz“.

Im Schwerpunktbereich „Erholung, Waldpädagogik, Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit“ konnte das Angebot  in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut werden. Ein Meilenstein für die Entwicklung des Ivenacker Tiergartens waren umfangreiche Baumaßnahmen im Jahr 2002 und 2003. So konnte am 17. Mai 2003  der restaurierte  Barockpavillon mit einer forstlichen Dauerausstellung der Öffentlichkeit übergeben werden. Es folgten weitere infrastrukturelle Investitionen mit dem Neubau des Tiergartencafés, einem Kinderspielplatz,  dem neugestalteten Haupteingang und einem Schaugatter, in dem alte Hausschweinrassen    zusammen mit den Eichen ein historisches Waldbild präsentieren.  

 

Ausgewählte Chronikdaten

1759                    Kartendarstellung der Ivenacker Eichen als „Thiergarten“

1929                    Aufgabe des Wildgatters

1974                    Wiedererrichtung der Wildgatteranlage

2003                    Umfassende Restaurierungs- und Neubaumaßnahmen

2010                    Schutzwaldverordnung Ivenacker Hudewald

2012                    Gattererweiterung und Schaugatter

2014                    Eröffnung Erlebnispfad

2016                    Ausweisung zum ersten Nationalen Naturmonument in Deutschland

2017                    Eröffnung Baumkronenpfad

2021                    Polnische Ur-Ponys verstärken die Hutewald-WG im Ivenacker Tiergarten

 

Die Ivenacker Eichen – ein Erlebniswald mit Prädikat

Die Ivenacker Eichen haben sich als Einrichtung der Landesforst Mecklenburg Vorpommern in Kooperation mit vielen Partner zu einem bedeutenden Erholungs- und Erlebnisort  entwickelt. Die  Besucher können ein in Deutschland sehr selten gewordenes und damit kulturhistorisch wertvolles Waldbild erleben. Einzigartig ist, dass nicht nur die ältesten Eichen als bewundernswerte Einzelbäume erhalten und gefördert werden, sondern dass sich auch nachfolgende Eichengenerationen ganz im Sinne forstkultureller Nachhaltigkeit unter den Rahmenbedingungen eines Hudewaldes entwickeln können.

Literaturhinweise:

[1] VOSS, E; RÜCHEL,F (2009): Ivenacker Eichen – Tausendjährige Eichen im Wandel der Zeit, Druck + Service Neubrandenburg.

[2] FESTERSEN, O; (2006): Die Neugestaltung der „Ivenacker Eichen“ in den 70iger Jahren, Manuskript Hudewaldkolloquium Forstamt Stavenhagen.

[3] Verordnung über den „Schutzwald Ivenacker Hudewald“ (Schutzwaldverordnung Ivenacker Hudewald –SchWaldVO Ivenack) vom 08.Februar 2010, GS Meckl.- Vorp. Gl. Nr. 790-2-11.

[4] HANS, T; ( 2008): Diplomarbeit „Schweinehut und Waldmast in Ivenack – Rückkehr einer kulturhistorischen Waldnutzung“, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fakultät Ressourcenmanagement.

[5] GÜRLICH, S; (2011): Studie Bestandsaufnahme und Bewertung der Käferfauna Schwerpunkt Xylobionte und Koprophage im Hutewaldökosystem Ivenacker Tiergarten, Forstamt Stavenhagen.

 

 

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