Der Weg zur Vielfalt

Die Standorte, auf denen die Erdmannwälder wachsen, sind für das norddeutsche Flachland überdurchschnittlich gut. Überwiegend handelt es ich um von Sandlössen überlagerte Geschiebelehme. Nährstoff- und Wasserversorgung sind überwiegend gut, viele Böden sind mittelmäßig stauend. Das Gebiet ist durchzogen von Flachlandbächen mit den entsprechenden Standortgradienten, was insbesondere das Naturschutzpotenzial der Erdmannwälder anhebt.

Angesichts der guten Standorte war der Wald, den Oberförster Friedrich Erdmann (1859–1943) im Jahr 1892 bei Übernahme der Oberförsterei vorfand, erschreckend:

Auf rund 800 Hektar standen kränkelnde Kiefernwälder, die aus der Wiederbewaldung von Heideflächen Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden waren. Ein Charakteristikum war ein dickes Polster nicht zersetzter Kiefernnadeln. Dieser Rohhumus soll bis zu einem halben Meter mächtig gewesen sein. Sogleich begann Erdmann einen für die damalige Zeit in Art und Umfang überaus vorausschauenden und einmaligen Waldumbau.

Ein Zitat Erdmanns belegt seinen Weitblick, der an Aktualität im Hinblick auf die Umstellung der schlagweisen Hochwaldwirtschaft in den 1990er Jahren sowie angesichts der laufenden Klima- und Waldkrise nichts eingebüßt hat, im Gegenteil:

„Niedersachsen war ein uraltes Laubholzgebiet – es wird auch künftig wieder vorwiegend Laubwald tragen, dessen Grundcharakter durch eine angemessene Beimischung nutzbringender Nadelhölzer nicht beeinträchtigt zu werden braucht… die Eintönigkeit des Reinbestandes wird hier überall der Mannigfaltigkeit eines reich zusammengesetzten Mischwaldes weichen in dem auch die Holzarten, die von alters her bei uns heimisch waren, aber heute aber nur noch selten im Walde angetroffen werden – der Ahorn, die Esche, die Ulme, die Linde, die Hainbuche, die Erlen und die Weiden, die Pappeln, die Wildobstbäume, vor allem die bodenpflegende Sträucher – wieder ihre Stelle finden werden“ (Erdmann 1931)

Sein Leitbild soll Erdmann maßgeblich an alten Laub- und Laubmischwaldrudimenten in der Region entwickelt haben. Die Überlieferung sagt, dass die über 300-jährigen Buchen, unter denen Erdmann im Wald bei Neubruchhausen in einem alten Hügelgrab beigesetzt wurde, der Ursprung seiner damaligen Ideen für den aktiven Waldumbau waren.

Das Ergebnis der engagierten Arbeit von vier Förstergenerationen zeigt sich am deutlichsten an der geänderten Baumartenzusammensetzung in den zurückliegenden 130 Jahren:


Begonnen von Erdmann mit den überwiegend als Saaten eingebrachten Baumarten Eiche, Buche und Weißtanne – setzte sich der Waldumbau zusätzlich fort mit Douglasien, Lärchen und Roteichen um und nach dem 2. Weltkrieg. Heute ist der Baum- und Strukturreichtum der Erdmannwälder im Norddeutschen Flachland nahezu einmalig.

Nie seit der Zeit Erdmanns wurden seine Grundideen vollständig in Frage gestellt oder gar aufgegeben. Ausdruck der Baumartenvorlieben über die Zeit ist die sogenannte Altersklassenverteilung in den Erdmannwäldern:

Auf rund einem Viertel der Fläche findet sich bereits jetzt die kommende Waldgeneration, weitestgehend aus Naturverjüngung (Nachwuchs). Als Standardverjüngungsverfahren löst sie nun den jahrzehntelangen Waldumbau durch investive Pflanzungen und Saaten nahezu vollständig ab. Hinzu kommt auf einem weiteren Drittel der Flächen ein pfleglicher Unterstand.

So geht Vielfalt!

aktuell: Allg. Forstzeitschrift (AFZ) 3/2022 "130 Jahre Erdmannshausen - eine Blaupause für die Zukunft?

hier zum Download als PDF.

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