Waldgebiet des Jahres 2024

Naturschutz- und Natura 2000 Gebiet

Der rund 2.200 ha große Stadtwald Augsburg gehört zu den ältesten und größten Naturschutzgebieten in Bayern. Er ist Lebensraum für mehr als 3.000 zum Teil sehr seltene Tier- und Pflanzenarten. Das Naturschutzgebiet (in Bayern das drittgrößte außeralpine Naturschutzgebiet) ist ein wichtiger Trittstein in der sogenannten „Biotopbrücke Lechtal“ zwischen Alpen und Alb. Es beherbergt zudem einige sehr selten gewordene Lebensraumtypen. Die besondere Verantwortung für Arten und Lebensräume von europäischem Rang spiegelt sich auch im Status als Natura 2000 Gebiet wieder.

Auwälder und die historische Nieder- und Mittelwaldbewirtschaftung

Ein besonderer Waldlebensraumtyp sind die Grauerlenwälder der präalpinen ehemaligen Wildflusslandschaften. Diese Wälder wurden in der Vergangenheit als Weidewälder für Schafe, Ziegen und Rinder oder zur Herdenwanderung zwischen Sommer- und Winterweiden entlang des Lechtals und als Brennholzlieferant in Form von Niederwald genutzt. Nach der Nutzungsaufgabe im letzten Jahrhundert galt dieser Lebensraumtyp als gefährdet. Durch eine Reaktivierung der Nieder- und Mittelwaldbewirtschaftung, u.a. im Rahmen des Vertragsnaturschutzprogrammes Wald konnte diese seltene Waldgesellschaft wieder gesichert und entwickelt werden.

Lichte Kiefernwälder und Beweidungsprojekte

Bemerkenswert sind darüber hinaus die Schneeheide-Kiefernwälder bzw. Carbonat Kiefernwälder auf den Lechbrennen. 80% der verbliebenen lichten Kiefernwälder entlang des Lechs liegen im Stadtwald Augsburg. Da typische Störungen wie Überflutungen des Lechs mittlerweile fehlen und es zusätzlich hohe Stickstoffeinträge aus der Luft gibt, werden die Kiefernwälder und ihre besondere Artzusammensetzung zusehends von Sträucher und Laubbäumen verdrängt. Um die einzigartige Kulturlandschaft zu erhalten, werden die ursprünglichen Kiefernwälder durch Mahd und Beweidung offengehalten. Im Südwesten des Naturschutzgebiets Stadtwald Augsburg bewahren Przewalski-Pferde, Rinder und Schafe durch ihr Weideverhalten die lichten Waldstrukturen und Heiden und erhalten auf diese Weise die Artenvielfalt dieser besonderen Lebensräume. Wildpferde gehörten zur ursprünglichen Tierwelt des Lechtals. Die einzige überlebende echte Wildpferdeart, das Przewalski-Pferd, konnte durch die Erhaltungszucht in Zoologischen Gärten vor dem Aussterben gerettet werden und spielt heute eine wichtige Rolle in der Landschaftspflege. Im Naturschutzgebiet Stadtwald Augsburg lebt eine Gruppe junger Hengste. Außerdem werden die Flächen an den Lechdämmen und der Hasenheide mit Schafen beweidet. Die Schaf- und Pferdebeweidung fördert das Vorkommen von seltenen Tier- und Pflanzenarten. Zusätzlich entstehen durch den Tritt der Tiere kleine Verletzungen der Grasnarbe, in denen viele lichtliebende Pflanzenarten keimen können. Insgesamt fördert die Beweidung durch den Transport von Samen über Fell und Verdauungstrakt den Artenaustausch zwischen Heide und Kiefernwald.

Die Stadtwaldbäche und ein europäisches Großnaturschutzprojekt

Maßgeblich geprägt ist das Gebiet zudem durch rund 70 km Bäche und angrenzende Gewässer- und Auenlebensräumen. Diesen widmet sich im Moment ein LIFE Projekt. LIFE Stadt-Wald-Bäche ist ein von der EU, dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und dem Bayerischen Naturschutzfonds gefördertes Naturschutzprojekt das zum Ziel hat, die ehemalige Lechaue im Augsburger Stadtwald ökologisch zu verbessern und die unterschiedlichen Arten und Lebensräume des Natura 2000-Netzes langfristig zu sichern und zu optimieren. Zu den geplanten Maßnahmen zählen wasserbauliche Maßnahmen zur Herstellung der ökologischen Fließgewässerdurchgängigkeit, Dynamisierung der Stadtwaldbäche und deren Wiederanbindung an den Lech, die Optimierung verschiedener Schutzgüter insbesondere durch Renaturierungs- und Strukturverbesserungsmaßnahmen sowie eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich Natura 2000, um die bestehenden Konflikte zwischen verschiedenen Interessensgruppen zu entflechten und gleichzeitig für die Erhaltung und Optimierung der herausragenden Lebensräume mit ihrem charakteristischen Arteninventar in einer Großstadt zu werben.

Der freie Lech – Flussrenaturierung im großen Stil

In der Umsetzungsplanung befindet sich auch das Projekt Licca liber. Der Lech soll sich zwischen der Staustufe 23 und dem Hochablass im Norden auf gesamter Fläche entlang des Augsburger Stadtwaldes wieder seinen ursprünglichen Charakter annähern. Das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth des Freistaates Bayern möchte die weitere Eintiefung verhindern und dem Fluss die Chance auf eine naturnahe Entwicklung geben. In seiner Dimension ist es ein bayernweit einzigartiges Projekt.

Totes Holz voller Lebendigkeit

Für den Stadtwald Augsburg hervorzuheben ist, neben den besonderen Lebensraumtypen und den aktuellen Großnaturschutzprojekten, zudem sein hoher Totholzanteil. Dieser liegt bei durchschnittlich 26,2 fm/ha. 10 % der Gesamtmasse sind in Totholz gebunden. In der täglichen Bewirtschaftung und im Rahmen von Artausgleichsmaßnahmen wird der Totholzanteil über ein spezielles Totholzmanagementprogramm weiter gefördert.

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